Alles auf Schwarz: Outrenoir von Pierre Soulages | #78

Shownotes

Pierre Soulages bringt die Farbe Schwarz mit seiner Kunst auf eine neue Ebene. Ein Werk des bekannten Künstlers ist neuerdings Teil der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe. Der Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger wirft einen Blick auf das Gemälde und erklärt, wie Soulages zum Ritter wurde, was er mit Darth Vader gemeinsam hat und welche Rolle ein Bahnhof in seinem Schaffen spielte.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Pierre-Soulages/Peinture--x--------f%C3%A9vrier/48EFB39DB5A04FCB87D07F245E24F201/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Redaktion: Lara Di Carlo, Tabea Schwarze
Idee: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Lara Di Carlo
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Bruno Kelzer | kelzer.de
Gestaltung: Pia Schmeckthal, Auf die Ohren GmbH

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Alles auf Schwarz: Outrenoire von Pierre Soulages

Der Künstler, um den es heute geht, wurde 102 Jahre alt und er war eine Legende: Der Franzose Pierre Soulages. Das Motto dieser Folge könnte lauten: Alles auf Schwarz! Denn Soulages schafft es unseren Blick auf diese Farbe bzw. Nicht-Farbe komplett zu verändern. Ich habe schon viele Bilder von ihm im Original gesehen und jedes Mal bin ich hin und weg. Ein ganz fantastisches Gemälde von ihm gehört der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. So schön wie das Bild ist, so unschön ist allerdings der Titel: Peinture 252 x 102, 8 février 1990. Und nein, die Zahlen werde ich ganz sicher nicht mit meinem nicht-existenten Französisch aussprechen. Allein schon Peinture und février musste ich nachsehen, wie man das ausspricht. Ich sage der Einfachheit von jetzt an „Schwarzes Bild“ von 1990. Gut, dann wollen wir uns diesem Augenschmaus mal näher widmen. Viel Spaß!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Das Bild dieser Folge muss man eigentlich im Original sehen und da habt ihr gerade die Chance zu: Im ZKM in Karlsruhe wird gerade die Sammlung der Kunsthalle präsentiert – wegen Renovierung. Und da gibt eine kleine Ausstellung mit dem schönen Titel „Schwarze Materie“. Unser heutiges Bild ist natürlich dabei, bis zum 8. März 2026 läuft das noch. Und für alle, die nicht sofort nach Karlsruhe können, in den Shownotes ist ein Link zur Abbildung und jetzt kommt die Bildbeschreibung.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Pierre Soulages war wie Darth Vader – Schwarz war sein Markenzeichen. Das Schwarze Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe besteht aus vier Tafeln, die übereinander auf einer blauen Platte angebracht sind. Die vier Leinwände sind alle komplett schwarz, nur an den Seiten der Leinwände sind sie blau. Ich weiß, das klingt übertrieben langweilig, aber das Schwarz ist nicht einfach gleichmäßig auf die Bilder gepinselt. Die Farbe wurde richtig dick aufgetragen, also richtig dick. Soulages benutzt so viel Farbe, der muss bei Farbhändlern echt beliebt sein. Naja, in diese schwarze Masse hat der Künstler dann mit einer Bürste Struktur reingebracht. Dadurch sehen die beiden oberen Tafeln zum Beispiel aus wie schwarze Haare, denn hier ist eine leichte Kurve drin. Insgesamt sehen die vier Tafeln aus, als wäre man einmal mit einer Harke durch das Schwarz gepflügt. Jede Leinwand hat eine eigene Struktur voller Furchen. Und was so spannend ist: Wenn man im Original davorsteht, verändert sich das Bild, wenn man sich bewegt. Denn auf der schwarzen Farbe reflektiert sich das Licht, sodass das Werk aus jedem Winkel anders aussieht. Man kann vor diesem Bild und ab gehen und immer wieder was Neues entdecken, so kommt man auch auf seine 10.000 Schritte am Tag. Passend dazu sagte Soulages: „Andere malen Äpfel, gestalten Kompositionen, ich gestalte Bewegungen.“ Und zu dem Thema Lichtreflexionen und schwarze Farbe hat er es auch gut auf Punkt gebracht (ich zitiere): „Es ist ein Irrtum zu glauben, ich male schwarz. Ich male Licht.“ Bäm!

Ganz ehrlich, man könnte diesen ganzen Podcast mit Zitaten von Soulages vollstopfen, weil das ein Künstler ist, der endlich mal verständlich spricht und Sachen auf den Punkt bringt. Aber dann schauen wir uns ihn und seine Geschichte doch mal kurz an.

Wer hat‘s gemacht? Künstler/in im Spotlight

Pierre Soulages war ein französischer Künstler. Er lebte von 1919 bis 2022, wurde also unglaubliche 102 Jahre alt. Er war ein wichtiger Vertreter der Abstraktion nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Ideen waren ziemlich eigenständig und sehr besonders. Das fiel einer Menge Leute auf: In seinem Haus/Atelier wurde er von so ziemlich jedem französischen Staatspräsidenten besucht, er wurde zum Ritter geschlagen, ihm wurde das Kreuz der Ehren-Legion verliehen, wichtige Leute sammelten seine Kunst, unter anderem Alfred Hitchcock. Als großer Drei Fragezeichen Fan freut mich das natürlich ganz besonders.

Ok, also Soulages ist Fame. So viel können wir festhalten. Schon in jungen Jahren beginnt er zu malen, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hörte er dann auf figürlich zu arbeiten – ab jetzt nur noch abstrakt. Im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen benutzt er aber keine knalligen, bunten Farben, bei Soulages ist die Farbigkeit schon früh reduziert.

Ende der 1940er Jahre arbeitet er unter anderem mit Teer auf Glasscheiben. Er kam darauf wegen eines Bahnhofs. Dort war das Glasdach mit Teer repariert worden. Die breiten Pinselstriche der Reparatur beeindruckten ihn – möglicherweise ein Schlüsselerlebnis. Und tatsächlich erinnert das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe an frisch, glänzenden Teer. Auch Bahnhöfe können die Kunstgeschichte maßgeblich beeinflussen.

1950 hört Soulages dann auf seinen Bildern sprechende Titel zu geben. Er führt ein System ein und benennt seine Werke nach Technik, Maßen, Datum. Ja, auch Künstler können bürokratisch sein. Schon bald folgen für Soulages krasse Ausstellungen, er wird international bekannt, auch in den USA, was damals ein Ritterschlag war – aber gut als geschlagener Ritter kennt er sich ja damit aus.

1979 dann begann Soulages nur fast ausschließlich mit Schwarz zu arbeiten. Wie kam es dazu? Und vor allem was waren seine Einflüsse? Das kommt jetzt.

Wie wurde das Werk beeinflusst? Interessante Inspirationen

Ich will ja nicht schwarzmalen, aber… wir widmen uns mal näher Soulages Schwarzmalerei. Weil’s so schön ist, erst mal ein Zitat von ihm vorweg: „Wir sagen, Babys erblicken das Licht der Welt, aber ich bin mir da nicht so sicher. Das Erste was wir sehen ist Schwarz, denn das Leben beginnt ja schon vorher, im Dunkel des Mutterleibs.“

Und in diesem Sinne gehen wir mal zurück zu den Ursprüngen: 1979 entscheidet sich Soulages also: „Ok, black ist he new black. Das ist jetzt mein Ding.“ Warum? Ein Grund: Zufall. Soulages arbeitete an einem Bild, aber war konstant unzufrieden. Er trug immer mehr Farbe auf, immer mehr schwarz, bis die Leinwand komplett schwarz war. Und dann fiel ihm auf: das ist ja nicht einfach dunkel und trist – hier wird das Licht reklektiert, da passiert ja super viel. Das Scheitern wurde also zum Startpunkt.

Seine Technik nennt Soulages „outrenoir“, also jenseits von Schwarz. Er gibt den schwarzen Bilder Texturen mit Bürsten, Messer, Besen, Holzstangen und so weiter. Ihm geht es um Dynamik, um das Spiel mit dem Licht. Ich find das großartig: Mit Licht arbeiten und dafür schwarzmalen. Genau mein Humor. Aber Soulages schafft es, dass bei ihm die Schwere von Schwarz weniger wird. Bei ihm wird Schwarz spielerisch. Es geht nicht unbedingt um Trauer oder Tod – das Symbolische von Schwarz steht nicht im Mittelpunkt.

So, eine weitere Inspiration für das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe waren möglicherweise Kirchenfenster. Schon als kleiner Junge war er davon fasziniert. Die vier Tafel sind ja ähnlich hochformatig. 1987 begann Soulages an Kirchenfenstern in Conques zu arbeiten, das ist bei Rodez seinem Geburtsort. Die Kirchenfenster sind in mehrere Tafeln untereinander gegliedert und Bleistege in den Fenstern geben dem ganzen eine Struktur von kleinen Kurven. Wartet mal, das kennen wir doch irgendwoher. Wenn man sich Fotos von den Kirchenfenstern anschaut, ist die Ähnlichkeit zu dem Schwarzen Bild aus Karlsruhe frappierend. Und beide Werke entstehen auch in einem ähnlichen Zeitraum. Kein Zufall, denn Soulages probierte hier halt ähnliche Dynamiken in verschiedenen Medien aus – Fenster und Leinwand.

Ich hatte ja in der Bildbeschreibung erwähnt, dass auch ein bisschen Blau zu sehen ist auf dem Karlsruher Bild. Das bringt Soulages in Verbindung mit seinem Blick aufs Meer, den er von seinem Atelier aus hatte. Ich meinte ja, lief bei Soulages. Ok, wir haben jetzt ein bisschen die Einflüsse studiert. Aber was will Soulages mit seinen Bilder aussagen? Da gehen wir jetzt rein!

Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Gibt’s nicht! Sorry für die Enttäuschung, aber eine klare Message hat Soulages nicht. Er lehnte es ab, dass seine Kunst mit Interpretationen überfrachtet wird. Deshalb auch diese technisch langweiligen Titel. Ich finde genau das gut. Bei Kunst, besonders abstrakter Kunst, muss man aushalten, dass es keine eindeutige Botschaft gibt. Abstrakte Kunst ist kein Bleigießen, bei dem man in jeder Form irgendwas Konkretes erkennen muss. Nein, die Formen können einfach für sich stehen. Bei Soulages wird uns nicht vorgegeben, was wir zu sehen haben. Wir dürfen das selbst entscheiden. Und vor allem dürfen wir bei ihm einfach mal gucken und genießen, uns bewegen und Schwarz mal ganz anders erleben. Vertraut mir, es lohnt sich!

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Hier noch ein paar Funfacts zum Thema Schwarz: Die exakte Mischung von Soualges‘ Farbe ist geheim. Aaaaber es ist bekannt, dass Elfenbeinschwarz dabei ist. Früher wurde das tatsächlich aus verkohltem Elfenbein gewonnen, heute sind es verkohlte Tierknochen – nicht weniger makaber. Und Harz ist wohl auch bei dem Schwarz dabei, das könnte die matschige, teer-artige Beschaffenheit von Soulages‘ Farbe erklären. Wenn man vor seinen Bildern steht, dann sehen die echt immer aus, als wären die grad frisch gemalt. Ein Grund weniger sich gegen seine Bilder zu lehnen.

Ein weiterer Funfact: Soulages malte bis kurz vor seinem Tod jeden Tag ein schwarzes Bild. Etwa 1600. Die misslungenen Werke verbrannte er – dann wurden schwarze Bilder halt zu schwarzer Asche.

Und mein Lieblings-Funfact: Soulages hat das mit dem Schwarz echt durchgezogen. 1942 heiratete er seine Frau komplett in Schwarz und um Mitternacht. Die beiden waren 79 Jahre lang verheiratet. Das ist echt romantisch! Hach, ein Abschluss zum Dahinschmelzen. Also, noch mal der Tipp guckt euch die Soulages Ausstellung der Kunsthalle Karlsruhe an, bis 8. März 2026 und seid in zwei Wochen zur nächsten Folge Kunstsnack dabei. Macht’s gut, bis dann, Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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