Fragen Sie Ihren Künstler oder Apotheker: Maria mit dem Kinde von Lucas Cranach d. Ä. | #76

Shownotes

Der Künstler dieser Folge war ein wahrer Überflieger und wird in seiner Grabinschrift sogar als „schnellster Maler” bezeichnet. Neben seinem künstlerischen Talent war Lucas Cranach d. Ä. auch ein erfolgreicher Geschäftsmann und Apotheker. Was der Künstler mit Luftschlangen zu tun hat und weshalb er Dreck am Stecken hatte, erzählt Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger in dieser Folge von Kunstsnack.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Lucas-Cranach-der-%C3%84ltere/Maria-mit-dem-Kinde/2E35A5034F83F1FF528CD08C70536B00/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Redaktion: Lara Di Carlo, Tabea Schwarze, Leonie Stieber
Idee: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Lara Di Carlo
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Bruno Kelzer | kelzer.de
Gestaltung: Pia Schmeckthal, Auf die Ohren GmbH

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Fragen Sie Ihren Künstler oder Apotheker. Maria mit dem Kinde von Lucas Cranach d. Ä.

Was hat die Serie Desperate Housewives mit Kunst zu tun? Im Vorspann der Serie tauchen einige Bilder aus der Kunstgeschichte auf. Unter anderem ein etwas abgewandeltes Werk des berühmten Malers: Lucas Cranach der Ältere. Und um genau den geht’s heute. Der war nämlich nicht nur Künstler, sondern auch Apotheker. Man kennt ja den Satz: „Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Künstler oder Apotheker.“ Außerdem betrieb Cranach noch einen Verlag und handelte mit Immobilien – ein ziemlicher Tausendsassa. Allerdings hatte er auch Dreck am Stecken, wie wir nachher hören werden. In der Staatlichen Kunsthalle befindet sich ein herausragendes Bild von Cranach, das kommt zwar nicht bei Desparate Housewives vor, aber dafür in dieser Folge Kunstsnack – das ist ja fast genauso gut. Das Cranach-Bild trägt den Titel „Maria mit dem Kinde“ und entstand um 1518. Dann schauen wir uns diesen spannenden Künstler und sein Werk mal näher an. Viel Spaß!

Intro

Schaut euch das Bild dieser Folge gerne an. In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung. Und noch ein Hinweis, damit es nicht zu Verwechselungen kommt. Es geht heute um Cranach den Älteren, denn es gibt auch seinen Sohn Cranach den Jüngeren. Aber der Ältere ist bekannter und heute unser Protagonist. Genug bla, bla, kommen wir zur Kunst.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Der Titel „Maria mit dem Kinde“ verspricht nicht zu viel. Wir sehen die Muttergottes mit dem kleinen Jesus im Arm. Das Kind streckt die Hände nach seiner Mutter aus und die schaut ruhig und verträumt herab. Die bunten Stoffe, in die Maria gehüllt ist, sind brillant gemalt. Hier sitzt jede Falte. Auch ihre langen, lockigen Haare glänzen wie in einer Shampoo-Werbung. Insgesamt wirkt Maria sehr jung. Ein ganz feiner Schleier liegt über ihren Haaren – da zeigt sich die malerische Qualität. Das ist echt großes Tennis so einen Schleier zu malen. Die Gesichter sind typisch für Cranach. Mund, Nase und Augen sind relativ eng zusammengeschoben. Der Kopf erscheint im Verhältnis zum Gesicht fast etwas zu groß – aber das war halt einfach Cranachs Style. So sehen seine Gesichter eigentlich immer aus.

Maria und Jesus befinden sich in einer bergigen Landschaft. Links sind ein paar Bäume und eine Stadt und davor ein Teich mit Boot. Rechts im Hintergrund ist eine Burg auf einem Felsen. Ende der Beschreibung, aber in dem Bild sind ein paar versteckte Botschaften. Also früher haben die Leute das gecheckt, aber heute sind uns diese Anspielungen nicht mehr so geläufig. Also rein da!

Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Über den Himmel auf Cranachs Bild ziehen ein paar graue Wolken, die Sonne ist gerade aufgegangen. Das Morgenlicht steht hier sinnbildlich für die Menschwerdung Christi und seine Erlösungstat. Nach dem Motto: Es ist Morgen, der Tag beginnt, ja der Heiland ist da, jetzt geht’s los. Aber wir alle wissen ja, dass die Story mit Jesus kein Happy End hatte und das wird auch im Bild angedeutet. Der nachdenkliche Ausdruck Marias, der ernste Blick auf ihren Sohn können als Hinweis auf die Passion Christi gelesen werden. Später wird Maria Jesus wieder in den Armen halten, dann aber als toten Mann nach der Kreuzigung. Übrigens wird die unbefleckte Empfängnis Marias betont durch ihr blaues Gewand. Das war ein Symbol für ihre Reinheit als Jungfrau.

Das Bild „Maria mit dem Kinde“ war für die private Andacht gedacht. Es sollte das Gebet intensiver gestalten. Frei nach dem Motto: „Ein Bild auf Holz oder Leinwand – verbindet uns mehr mit dem Heiland.“ Man hängte solche Marienbilder ins Schlafzimmer oder Wohnzimmer, aber auch in Werkstätten oder als Skulpturen an Häuserwände.

Der Blick fürs Detail

Man muss wirklich ganz genau hingucken, aber dann erkennt man unten links auf dem Gemälde aus der Kunsthalle Karlsruhe eine Schlange. Und zwar nicht irgendeine Schlange, sondern eine geflügelte Schlange. Da bekommt das Wort „Luftschlange“ noch mal eine ganz andere Bedeutung. Aber warum malt Cranach so was? Die geflügelte Schlange war sein Markenzeichen. Denn 1508 verlieh der sächsische Kurfürst. Friedrich der Weise, ein Wappen – als Anerkennung für seine Leistungen. Und auf diesem Wappen war eine Schlange mit Krone und Fledermausflügeln. Im Maul hatte sie einen Rubinring. Also, wenn ich mir diese Beschreibung so anhöre, klingt das so doll nach einem Fantasiewesen, das sich irgendwelche Kinder ausgedacht haben. Krone, Rubin, Schlange, Fledermaus – alles, was cool ist zusammengepackt. Naja, wobei eine Schlange mit Krone gibt es ja sogar wirklich: Die Königskobra – also zumindest dem Namen nach. Ich find auf jeden Fall spannend, wie Cranach hier ein Markenzeichen benutzt wie ein Logo und das vor 500 Jahren. Zu dieser Zeit war die Kunstepoche Renaissance vorherrschend und um die geht es jetzt.

Der Epochen-Check

Lucas Cranach der Ältere ist einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Renaissance. Diese Kunstströmung nahm ihren Anfang allerdings in Italien. Mit etwas Verzögerung kam die Renaissance dann auch in Deutschland an. Es gab einen regen künstlerischen Austausch und Cranach war mittendrin.

Die Renaissance war die Streberin unter den Kunstepochen, es war eine Zeit der kulturellen Blüte, die grob von 1400 bis 1600 dauerte. Je nach Region wirkte diese Strömung auch deutlich länger. Italienische Kunstschaffenden wie Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo Buonarroti oder Sandro Botticelli orientierten sich viel an der Antike. Man wollte die damaligen Errungenschaften wiederbeleben, daher der Begriff Renaissance – das bedeutet Wiedergeburt. Man studierte die antike Kultur in allen Facetten und reiste in entlegene Klöster, um antike Schriften zu studieren. Es wurde mehr in alten Bibliotheken gestöbert als von Bob Andrews von den Drei Fragezeichen. In der Renaissance buddelte man zudem viele antike Kunstwerke aus, die gesammelt und gehandelt wurden. Der Antike-Hype ging damals so weit, dass ein zwielichtiger Kunsthändler eine Skulptur von Michelangelo aus Florenz nach Rom brachte, künstlich altern ließ und dort als antikes Fundstück verkaufte.

In der Renaissance wurde nicht nur der muskulöse McFIT-Look antiker Skulpturen übernommen, sondern vor allem das genaue Naturstudium. Das antike Schönheitsideal beruhte auf mathematischen Gesetzmäßigkeiten und geometrischen Erkenntnissen. Es war eine nüchtern-analytische Herangehensweise an die Kunst, ähnlich wie heutzutage Algorithmen Schönheit berechnen und lebensechte Bilder von Models generieren. Wichtig für die Renaissance war außerdem die Entwicklung der Zentralperspektive, bei der werden nahe Objekte größer und weit entfernte kleiner dargestellt. Diese perspektivische Verkürzung ist für uns heute selbstverständlich, damals war es das nicht. Im Mittelalter sahen gemalte Räume teils schiefer aus als die Lebkuchenhäuser einer Grundschulklasse. In der Renaissance erzeugte man nun mithilfe von Fluchtpunkten faszinierende Illusionen von dreidimensionalen Räumen auf zweidimensionalen Flächen.

Insgesamt ist die Renaissance eine historisch bewegte Zeit. Martin Luther legt sich mit der Kirche an und begründet die Reformation. Er will die katholische Kirche erneuern. Er ist gegen Ablasshandel, gegen das unanständige Handeln der Priester und vieles mehr. Und wer hilft ihm bei seiner Mission? Genau, Cranach. Denn Luther und Cranach waren gut befreundet. Cranach malt viele Bildnisse von Luther, er wird dadurch zum Hauptvertreter einer neuen protestantischen Bildsprache. Cranach stieg dann auch selbst ins Verlagsgeschäft ein, denn vor der Reformation erfindet Johannes Gutenberg den Buchdruck. Cranach druckte Luthers Neues Testament. Das Ganze war sehr erfolgreich und übrigens auch sehr profitabel. Er machte Batzen mit Bibeln. Cranach war als Businessman sehr geschickt: Trotz seinem Engagement für die Reformation verscherzte er es nicht mit katholischen Auftraggebern.

Die Reformation und der Buchdruck waren aber nicht die einzigen historischen Meilensteine in der Renaissance. 1492 entdeckt Kolumbus die Seeroute nach Amerika und Nikolaus Kopernikus stellt fest, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist, sondern sich stattdessen um die Sonne bewegt. Allerdings ist die Renaissance nicht durchgehend fortschrittlich und vernünftig, so erlebt beispielsweise die Hexenverfolgung eine Hochphase. Es zeigt sich: Wissen schützt vor Dummheit nicht – siehe aktuelles Weltgeschehen.

Religiöse Motive waren in der Renaissance weit verbreitet, denn die Kirche war weiterhin der wichtigste Auftraggeber für die Kunst. In der Renaissance ging man davon aus, Gott habe das Universum geschaffen und der Mensch wäre sein Meisterstück. Dementsprechend war es für Kunstschaffende die höchste Aufgabe den Menschen möglichst naturgetreu abzubilden. Man wollte nicht einfach nur ein bisschen rumpinseln, sondern mit der Kunst die göttliche Ordnung und Vollkommenheit ergründen. Drunter machte man es nicht.

Alles klar, in diesem ganzen Kontext entsteht also Cranachs Bild „Maria mit dem Kinde“. Hui. Die Renaissance… da war echt einiges los.

Was macht das Werk so besonders?

In der Renaissance war es üblich, dass große Meister eine große Werkstatt hatten. Kunst war Teamwork. In Cranachs Werkstatt wurde Kunst wie am Fließband produziert. Was schätzt ihr, wie viele Werke das waren? (Gameshow-Geräusche selbst machen) Bis zu 5000 – das schätzt man heutzutage. Natürlich wurden nicht alle Bilder von Cranach selbst geschaffen. Aber bei dem Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe ist das der Fall. Dafür sprechen einige Gründe. Die malerische Qualität ist überragend. Die feine Malweise entspricht Cranachs eigenem Stil. Für das Blau des Mantels von Maria wurde außerdem Lapislazuli verwendet. Das war eine wahnsinnig teures Pigment. Und dieses Privileg damit zu Malen dürfte Cranach selbst vorbehalten geblieben sein. Das meisterhafte Material für den Meister höchstpersönlich.

Kurioses aus der Kunstwelt

Ok, ich hab euch jetzt viel davon erzählt, wie erfolgreich Cranach der Ältere war. Aaaaaber er war nicht nur tugendhaft unterwegs. Der Künstler Hans Burgkmair der Ältere war ein Vorreiter einer neuen Drucktechnik: dem Farbholzschnitt. 1508 begann er damit zu drucken. Kurz danach machte Cranach das auch. Er nutzt den Farbholzschnitt 1509, aber er datiert die Werke vor auf 1506. Der Frechdachs wollte vermutlich die Erfindung vom Farbholzschnitt für sich einheimsen. Also ganz sauber hat Cranach nicht immer gespielt – das war der Dreck am Stecken, den ich am Anfang angesprochen hab.

Naja, ist ja auch beruhigend, dass auch Cranach der Ältere menschliche Fehler hatte. Ansonsten war er ja ein ziemlicher Überflieger. Auch seine Grabinschrift war voll des Lobes. Dort pries man ihn als „schnellsten“ der Maler. Tja, und so schnell ist diese Folge leider auch schon wieder vorbei. Ich hoffe, ihr hattet Spaß. Lasst gerne ein kostenloses Abo da. In zwei Wochen geht’s weiter mit Kunstsnack. Bis dann, Ciao.

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