Stock und Stein: Moses schlägt Wasser aus dem Felsen von Jacob Jordaens | #69
Shownotes
Das Werk dieser Kunstsnack-Folge ist richtig opulent – es ist etwa so groß wie ein Doppelbett. Zu sehen sind aufgebrachte Menschen und jede Menge Drama. Welche Geschichte hinter dem Motiv steckt und wie es der Künstler Jacob Jordaens als „Drama-King” schaffte, zu den 400 wohlhabendsten Bürger*innen der Stadt Antwerpen zu zählen, erklärt Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger in dieser Folge.
Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https:https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Jacob-Jordaens/Moses-schl%C3%A4gt-Wasser-aus-dem-Felsen/60A3FF0741FC6B93869F828C4ACF70BA/
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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Text: Jakob Schwerdtfeger
Redaktion: Lara Di Carlo, Tabea Schwarze
Idee: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Lara Di Carlo
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Bruno Kelzer | kelzer.de
Gestaltung: Pia Schmeckthal, Auf die Ohren GmbH
Transkript anzeigen
Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Stock und Stein: Moses schlägt Wasser aus dem Felsen von Jacob Jordaens
Zum Anfang gleich eine steile These. Ich sag’s euch ehrlich: Bali nervt. Mein ganzer Instagram-Feed ist voll mit Leuten auf Bali: Kokosnüsse, Beach Life, Dschungel. Dazu immer diese Restaurants, die nur fototaugliches Essen servieren. Wahnsinn. Ich find’s so charakterlos auf Bali Urlaub zu machen. Und wer vor ein paar Jahren auf Bali? Genau, ich! Ich bin nämlich kein bisschen besser. Trotzdem stimmt’s: Bali ist als Reiseziel ungefähr so einfallsreich wie nach dem Abi in Australien oder Neuseeland Work and Travel zu machen.
Diese Standard-Reiseziele gab es vor 400 Jahren übrigens auch schon. Damals war das Italien. Da sind wirklich alle hin. Die ganze Kultur und Geschichte studieren – es war ein Sehnsuchtsort. Da hin zu reisen war für Kunstschaffende gewissermaßen Pflichtprogramm. Aber der Künstler der heutigen Folge hat dem Italien Hype widerstanden: Jacob Jordaens. Wobei man sagen muss, er hat stattdessen italienische Reiseberichte studiert und Reproduktionen der italienischen Kunst angeschaut. Ein bisschen also so wie ich Bali-Content konsumiere – aus der Ferne, aber intensiv. In der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ist ein beeindruckendes Bild von Jacob Jordaens: „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“. Das ist um 1618 entstanden, also über 400 Jahre alt. Wenn ihr Bock auf Wunder und Drama habt, dann ist das hier euer Bild. Viel Spaß!
Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.
Schaut euch das Bild dieser Folge gerne in Ruhe an. In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung.
Worum geht’s hier eigentlich? Die Message
Das Gemälde von Jacob Jordaens trägt den Titel „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“. Das bezieht sich auf eine Episode aus dem Alten Testament. Ich gebe euch mal kurz den Kontext: Moses führte das Volk der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei ins gelobte Land Kanaan. Die Wanderung ging unter anderem durch die Wüste und dauerte 40 Jahre lang. 40 Jahre! Das ist einfach 417 Mal den Jakobsweg am Stück laufen. Kein Wunder, dass die Leute irgendwann keinen Bock mehr hatten und sich gegen Moses auflehnten. Sie bezweifelten irgendwann, dass er von Gott gesandt war und vor allem waren alle kurz vor dem Verdursten. An dieser Stelle schaltete sich Gott ein und befahl Moses mit einem Stab zwei Mal gegen einen Felsen zu schlagen. Und schwuppsdiwupps kam Wasser heraus. Krasser Move! Alle gerettet. Mit einem Stab an einen Felsen hauen – da bekommt eine Wanderung über Stock und Stein noch mal eine ganz andere Bedeutung. So, jetzt kennt ihr den Background. Dann schauen wir uns das Bild mal an.
Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung
Das Gemälde dieser Folge ist ein richtiger Oschi: 2 Meter x 1,80 Meter. Das ist einfach exakt die Größe von meinem Bett. Ein klassisches Bett-Bild, wer kennt’s nicht? Dazu kommt noch der Rahmen. Der ist echt opulent. Also mit Rahmen ist das Bild noch größer! Das Gemälde heißt ja „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“. Allerdings ist dieser Felsen gar nicht auf dem Bild. Wir sehen gerade noch so Moses Stab, der aus dem Bild herausragt. Dadurch fokussiert sich das Bild auf das Drama, das sich vor dem Felsen abspielt. Wir sehen eine Menschenmenge, eng zusammengedrängt und die sind echt aufgebracht. In der Bibel heißt es wörtlich: „Das Volk dürstete dort nach Wasser und murrte gegen Mose.“ Murrte… das klingt fast wie quengeln. Auf dem Bild von Jacob Jordaens sieht es eher aus, als würden die Menge gleich über Moses herfallen. Demonstrativ werden Wassergefäße in die Höhe gestreckt. Man sieht leidende und unzufriedene Gesichter. Wir sehen also den Moment, kurz bevor das Wunder passiert und das Wasser aus dem Fels kommt. Ein Teil der Dargestellten steht mit dem Rücken zu uns. Auch zwei Kühe sind im Bild, die eine schaut sehr zerknirscht. Dazu gibt’s noch zwei Schafe und ein Hund drängt sich zwischen die Menschen.
Ich finde es sehr spannend, dass der Eindruck entsteht, es handele sich auf dem Bild um eine Menschenmenge. Denn wenn man nachzählt, sieht man nur neun Leute und Moses. Aber Jacob Jordaens zeigt die Figuren so dicht beieinander, so zusammen gepfercht, dass sie eine imposante Menge abgeben. Aus wenig Figuren, holt der Maler das Maximum raus. Ich hab das in gewisser Weise kürzlich ähnlich gemacht: Da hatte ich einen Auftritt. Ich bin nämlich Stand-Up-Comedian und spreche auf der Bühne humorvoll über Kunst. Allerdings war meine Show nicht so dolle besucht. Ich wollte aber ein Foto vom leeren Publikums-Saal für meine Insta-Story machen, nach dem Motto: Heute Auftritt, bla bla. Aber die 40 Stühle sahen echt nach nix aus. Also bin ich in die Hocke gegangen und habe den Ausschnitt vom Foto verkleinert. Zack! Plötzlich war das Ganze absolut vorzeigbar. Es geht also immer um die Perspektive und die Komposition.
Auffällig ist bei Jacob Jordaens noch das Licht. Moses Blick geht nach oben, sein Mund ist staunend geöffnet. Denn von dort kommt das Licht. Gleißend scheint es auf die Szene, als hätte jemand einen Scheinwerfer aufgestellt. Einer der Dargestellten hält sogar schützend seine Hand vor die Augen. Ist dies das Licht göttlicher Erleuchtung? Wir wissen es nicht, die Lichtquelle liegt außerhalb des Bildes. Auf jeden Fall steigert das Schlaglicht die Dramatik noch mal zusätzlich.
Der Epochen-Check
Jacob Jordaens war ein Künstler des Barock. Diese Kunstepoche begann um 1600 und dauerte je nach Region in Europa bis weit ins 18. Jahrhundert. Der Barock folgte auf die Renaissance. Ihr kennt aus der Renaissance alle die Mona Lisa, dieses ruhige Porträt, das angedeutete Lächeln, diese Anmut und Eleganz. Verglichen zu diesem Bild ist Jordaens Gemälde aus der Kunsthalle Karlsruhe der reinste Actionfilm. Und genau das ist ein Unterschied zwischen Barock und Renaissance, wenn man das mal so runterbrechen will. Wenn die Renaissance eine Musikrichtung wäre, wäre es entspannter Jazz in einer Hotel Lobby. Barock wäre eher wilde Orchestermusik mit vielen Pauken und wenig Triangeln. Die Historienmalerei im Barock, also historische, religiöse, mythologische oder literarische Szenen – das ging im Barock voll auf die Zwölf. Es sollten Emotionen vermittelt werden, Drama, Leidenschaft. Die katholische Kirche wollte Bilder, die intensiv den Glauben schildern. Absolutistische Herrschende wollten Kunst, mit der sie sich prachtvoll inszenieren konnten.
Die Malerei im Barock war oft sehr dynamisch und bewegt. Das gilt aber vor allem für die Historienmalerei. Im Barock waren nämlich auch Stillleben sehr beliebt, die eher ruhig daherkommen. Typisch für die Barockmalerei ist die Hell-Dunkel-Malerei mit starken Kontrasten – genau das macht Jacob Jordaens auf seinem Bild aus Karlsruhe. Durch die Lichtkontraste wirken die Körper sehr plastisch, weil man sie so besser modellieren und hervorheben kann. Ein sehr bekannter Maler des Barock ist Peter Paul Rubens – ihm haben wir Folge 29 von Kunstsnack übrigens gewidmet. Jacob Jordaens arbeitete einige Jahre in der Werkstatt von eben diesem Rubens. Und als Rubens starb, vollendete Jordaens sogar dessen Werke. Beide Künstler waren der Stadt Antwerpen sehr verbunden. Rubens war große Zeit seines Lebens in Antwerpen tätig, Jordaens verließ diese Stadt sogar fast gar nicht. Er lebte von seiner Geburt 1593 bis zu seinem Tod im Jahr 1678 durchgehend in Antwerpen. Sowohl Rubens als auch Jordaens prägten den Barock maßgeblich.
Kurioses aus der Kunstwelt
Wenn man sich das Leben von Jacob Jordaens anschaut, muss man sagen: Lief bei ihm. Bereits mit Ende 30 hatte er eine Werkstatt mit etwa 16 Gehilfen. Es war damals absolut üblich, dass große Kunstschaffende Werkstätten hatten und Teile ihrer Bilder an Gehilfen delegierten. Kunst war gewissermaßen Teamwork. Heutzutage stößt das manchen Menschen auf, aber auch bedeutende zeitgenössische Künstler wie Anselm Kiefer oder Jeff Koons haben diverse Angestellte, die an ihrer Kunst mitarbeiten.
Im Jahr 1659 gehörte Jordaens zu den 400 wohlhabendsten Bürgern von Antwerpen. Er hatte ein Wohnhaus und ein Atelier. Soweit so gut. Aber zusätzlich hatte er einfach noch mindestens acht weitere Häuser. Er bewegte sich also irgendwo zwischen Maler und Immobilienmogul. Und wenn man sich sein dramatisches Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe anguckt, dann weiß man, er war vor allem eines: Ein Drama King. Denn dramatisch malen konnte Jacob Jordaens wie kein Zweiter.
So, damit sind wir am Ende dieser Folge. Ich hoffe, ihr konntet was mitnehmen und hattet Spaß. Wir hören uns in zwei Wochen wieder, denn dann erscheint die neue Folge von Kunstsnack. Bis dann, macht’s gut, Ciao.
Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.
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