Ein gemalter Joke: Cäsar am Rubikon von Wilhelm Trübner | #59

Shownotes

Im 19. Jahrhundert gab es zwar keine lustigen Tiervideos in den sozialen Netzwerken, dafür aber den einen oder anderen gemalten Joke. Der Künstler Wilhelm Trübner machte dafür seinen Hund Cäsar zum Star eines seiner Bilder und stellte eine Szene dar, die jede:r Hundebesitzer:in nur allzu gut kennt. Der Vierbeiner lechzt im Gemälde gierig an der Tischkante nach einem Teller Würstchen. Wie Wilhelm Trübner damit den gleichnamigen römischen Feldherrn Julius Cäsar aufs Korn nimmt, erzählt Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger in dieser Folge des Kunstsnack.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Wilhelm-Tr%C3%BCbner/C%C3%A4sar-am-Rubikon/8D8B2E6785E14EAABE471AB49B748044/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Lara Di Carlo
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Bruno Kelzer | kelzer.de
Gestaltung: Pia Schmeckthal, Auf die Ohren GmbH

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheEin gemalter Joke: Wilhelm Trübner, Cäsar am Rubikon

Wann habt ihr mal im Museum richtig laut gelacht? Ich nehme mal an, das ist lange her, wenn’s überhaupt jemals passiert ist. Im Museum lacht man ja irgendwie nicht. Ich finde eh, dass sich Kunst oft etwas zu ernst nimmt, genau deshalb bin ich ja Kunstcomedian und mache Comedy über Kunst auf der Bühne. Aaaaber der Künstler Wilhelm Trübner gibt uns endlich einen wirklich guten Grund, um im Museum zu lachen. Sein Bild aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ist nämlich wirklich lustig. Das ist ein gemalter Joke. Das Werk trägt den Titel „Cäsar am Rubikon“ und entstand um 1880. Macht euch gefasst auf eine unterhaltsame Folge Kunstsnack. Viel Spaß!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Schaut euch das Bild dieser Folge gerne an, in den Shownotes findet ihr einen Link zur Abbildung.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Okay, auf dem Bild sehen wir einen großen Holztisch. Die weiße Tischdecke darauf ist schon etwas verrutscht. Auf dem Tisch steht eine Metallschale mit vier Würsten. Humor kommt in das Bild durch den Hund. Denn eine Dogge guckt konzentriert über den Tisch hinweg auf die Würste. Der Hund ist sehr fokussiert auf sein Ziel, sein Blick ist sehr sehnsüchtig. Verständlich, denn die Würste sehen zum Anbeißen aus. Es ist lustig, wie man nur den Hundekopf auf der Tischplatte sieht. Unter dem Tisch erkennt man dann den Rest des Körpers. Vermutlich hat der Hund schon an der Tischdecke geruckelt, weshalb sie so verrutscht ist. Es ist ungewöhnlich, dass ein Hund der Hauptakteur eines Bildes ist.

Die ganze Szene könnten irgendwie aus einem Tier-Instagram-Reel sein. Wie dieser Hund da einfach auf der Tischplatte liegt und nach dem Würstchen lechzt – es ist herrlich. Vielleicht gucke ich auch zu viele Tiervideos, aber eine Empfehlung an dieser Stelle. Wenn ihr mal einen schlechten Tag habt, dann guckt Zeitlupenvideos von Dackeln, die eine Treppe runterspringen und sich dann ihre Ohren aufstellen wie Tragflächen von Flugzeugen. Glaubt mir, das macht Euer Leben besser. Aber okay, zurück zum Kunstwerk.

Die Malweise muss man wohl beschreiben als Fleckenmalerei. Vor allem der Hund besteht aus sichtbaren, breiten, kurzen Pinselstrichen. Diese Farbflecken sind wahnsinnig präzise nebeneinander gesetzt, sodass sich alles natürlich zusammenfügt. Eine wirklich virtuose Malweise, die durch die sichtbaren Pinselborsten wunderbar zu dem Hundefell passt. Ich bin Fan von dem Bild!

Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Eine weitere Humorebene kommt durch den Titel des Bildes: „Cäsar am Rubikon“. Cäsar hieß die Dogge des Malers Wilhelm Trübner. Der Titel bezieht sich also auf den Hund, aber auch auf den historischen Cäsar. Julius Cäsar, der berühmte Feldherr und wichtigster Gegenspieler von Asterix & Obelix. Der Titel „Cäsar am Rubikon“ bezieht sich auf ein Ereignis 49 v. Chr. Damals stand Casär an dem Fluss Rubikon vor der Wahl: Überqueren oder nicht? Eine Entscheidung großer Tragweite, weil es nach der Überquerung kein Zurück mehr gab. Er entschied sich schlussendlich für die Überquerung.

Mit dem Titel „Cäsar am Rubikon“ wird das Abwägen des Feldherrn gleichgesetzt mit dem Abwägen des Hundes die Würste zu essen. Das ist natürlich ein ironischer Kommentar auf die Geschichte und die Gier des Eroberns. Der Machthunger Cäsars wird mit dem Hunger eines Hundes verglichen. Gleichzeitig nimmt Wilhelm Trübner auch die Historienbilder seiner Zeit auf’s Korn. Geschichtliche Ereignisse wurden im 19. Jahrhundert oft sehr pathetisch und bedeutungsschwanger dargestellt. Genau darüber macht Trübner sich hier lustig, indem er seinem Hundebild einen historischen Titel gibt.

Außerdem nervte Trübner, dass viele Kunstschaffende in seinen Augen inhaltsleere Bilder malten und sie dann durch hochtrabende Titel aufwerteten. Er selbst sagte dazu (ich zitiere): „Schreibt nun ein Maler unter ein Bild, das den höchsten Anforderungen entspricht: ‚Drei Bäuerinnen in einer Kirche‘, so hält das der ästhetisch verbildete Laie oder Maler für ein geistloses Kunstprodukt, wohingegen wenn der Beschauer als Titel darunter liest: ‚Bäuerinnen beten für ihre im Feld stehenden Angehörigen‘, er es plötzlich für ein fesselnd-interessantes und geistvolles Gemälde halten wird, auch ohne dass die geringste Änderung an dem Bilde vorzunehmen gewesen wäre.“

Ehrlich gesagt, so funktionieren viele kunsthistorische Texte bis heute: Möglichst viele Fremdwörter rein knallen und zack! wirkt alles schlau und gewichtig. Ich habe kürzlich wieder einen Text im Museum gelesen, dort stand, die Farben wären „diaphan“. Das Wort habe ich noch nie gehört. „Diaphan“ heißt einfach „durchscheinend“. Warum schreibt man das nicht einfach so? Naja, aber dafür machen wir ja den Kunstnack-Podcast, um über Kunst auf Augenhöhe zu sprechen.

Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Zu der Entstehung des Bildes „Cäsar am Rubikon“ gibt es eine schöne Anekdote von Wilhelm Trübner. Eigentlich hatte er wohl vor ein Stillleben zu malen. Die Würste in der Schale auf dem Tisch. Dann ging er noch mal kurz aus dem Raum. Als er zurückkam hatte sein Hund die Würste gefressen und die Tischdecke verrutscht. Der Klassiker: Wenn dem Maler das Motiv weggefressen wird. Wilhelm Trübner entschied sich daher genau den Moment zu malen, bevor den Hund der Fressflash überkommt.

Die Dogge Cäsar hat Trübner übrigens häufiger in Kombination mit Würstchen gemalt. In der Alten Nationalgalerie in Berlin ist eine tolle Version. Da sieht man den Hund und wie ihm eine Würstchenkette über der Schnauze hängt. Ich find’s gut, dass die Mini Wini Würstchenkette Teil der Kunstgeschichte ist. Der Titel des Bildes ist auch wieder typisch, denn der lautet: „Ave Caesar! Morituri te salutant!“ Jetzt lohnt sich endlich mal mein Latinum aus der Schule, denn dieser Satz war ein Gruß von verurteilten Verbrechern. Ich übersetze: „Heil dir, Caesar! Die Todgeweihten grüßen dich!“ Dieser Titel bei einem Hund mit Würstchenkette, stabil.

Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight

Wilhelm Trübner wurde 1851 in Heidelberg geboren. Er begann in Karlsruhe Malerei zu studieren. Dazu ermutigt hatte ihn Anselm Feuerbach. Über den haben wir auch schon eine Kunstsnack-Folge gemacht, Nummer 52. Bald wechselte Trübner zur Kunstakademie nach München.

Trübner experimentierte schon früh mit der Malerei. Die Malweise stellte er in den Vordergrund, der Farbauftrag wurde sichtbar. Bei Trübner kann man oft die einzelnen Pinselstriche erkennen. Er wollte verschiedene Oberflächen möglichst treffend darstellen und deren Struktur einfangen. Mit Farbe und Licht ging er innovativ um. Ich hatte ja vorhin schon die Fleckenmalerei erwähnt. Dieses Nebeneinandersetzen von kleinen Farbpartien – das macht Trübners Malerei besonders und verschafft ihm einen hohen Wiedererkennungswert. Er selbst sagte dazu: „Schön kann alles sein, also auch, was im Leben nicht schön ist, z.B. ein hässliches Mädchen oder eine alte Frau, denn es handelt sich in der Kunst nicht um das, was man darstellt, sondern allein um das, wie man es darstellt, und die Schönheit muss in der Malerei selbst liegen, nicht im Gegenstand.“

Und dann ging es so richtig los: Trübner reiste viel, ab den 1880er Jahren nahmen seine Bildverkäufe dann zu. Ab 1890 war ein berühmter Maler. Allerdings hat Trübner nicht nur selbst Kunst geschaffen, sondern auch gesammelt. Und zwar echt ordentlich. In seiner Sammlung waren Werke natürlich viele zeitgenössische Werke, aber eben auch Arbeiten von Rembrandt oder Lucas Cranach d. Ä. Also, Trübner hat echt so gut gesammelt wie er gemalt hat!

Später wird er dann übrigens Direktor der Kunstakademie in Karlsruhe. 1917 stirbt er auch in dieser Stadt. Daher ist es so passend, dass die Kunsthalle Karlsruhe dieses großartige Werk von Trübner besitzt. In der Sammlung in Karlsruhe ist auch ein Werk von dem Maler Caesar van Everdingen – die könnte man doch mal nebeneinander hängen. Fänd‘ ich lustig. Ich kann euch nur empfehlen: Schaut euch noch mehr Bilder von Trübner an, da sind einige lustige Werke dabei. Und ich find’s toll, dass jemand auf diese Weise Humor in die Kunst bringt. Denn das macht doch alles spaßiger und leichter. So wie dieser Podcast, der jetzt mal wieder am Ende angekommen ist. Die nächste Folge kommt in zwei Wochen. Lasst ein kostenloses Abo da, hört auch die anderen Folgen und bis bald, Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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