Trist, trostlos, München: Das Stadtbild F von Gerhard Richter | #5

Shownotes

Es ist gleichzeitig abstrakt und gegenständlich: Das Stadtbild F von Gerhard Richter. Diese Kunstsnack-Episode klärt auf, warum es sich beim Stadtbild F nicht um eine Ansicht von Frankfurt, sondern von München handelt. Außerdem geht es um das vielfältige Lebenswerk des Künstlers, andere Städte, Kirchenfenster, Pacman und Kamillentee.

Das Gemälde "Stadtbild F" von Gerhard Richter in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Gerhard-Richter/Stadtbild-F/716219EC4A245EE3A462B188C6A3560B/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

„Trist, trostlos, München – Das Stadtbild F von Gerhard Richter“

41 Millionen Euro. So viel wurde 2015 für ein Bild von diesem Maler gezahlt. Er ist einer der teuersten lebenden Künstler der Welt und wird auch als Picasso des 21. Jahrhunderts bezeichnet: Die Rede ist von Gerhard Richter. In der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe befindet sich ein sehr spannendes Werk von ihm. Darum geht es heute und auch darum, was Gerhard Richter mit dem Videospiel Pacman zu tun hat. Viel Spaß.

41 Millionen Euro. So viel wurde 2015 für ein Bild von diesem Maler gezahlt. Er ist einer der teuersten lebenden Künstler der Welt und wird auch als Picasso des 21. Jahrhunderts bezeichnet: Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

In dieser Folge geht es um das „Stadtbild F“ von Gerhard Richter aus dem Jahr 1968. 2 x 2 Meter ist das groß, also 4 Quadratmeter. Das ist einfach größer als mein Badezimmer – ich hab's grad extra nachgemessen. In den Shownotes findet ihr einen Link, um euch dieses Bild in Ruhe anzugucken. Wenn ihr aber zu faul seid, alles cool. Hier eine kurze Beschreibung von dem Werk: Auf den ersten Blick sieht das Bild von Gerhard Richter aus, als würde man besoffen auf einen QR-Code gucken. Gerhard Richter verwendet nur Grau, weiß und schwarz – also mega farbenfroh. Und hier fließt alles chaotisch ineinander. Die Leinwand ist voll mit wilden, dicken Pinselstrichen. Erst auf den zweiten Blick merkt man: Wir sehen eine Stadt schräg von oben – so als stünde man auf einem Aussichtsturm. Darauf verweist ja auch der Titel „Stadtbild F“. Auf dem Gemälde sind also verschwommene Gebäude und Straßenzüge dargestellt.

Als ich dieses Bild das erste Mal gesehen habe, musste ich direkt an eine Zeile von dem Rapper Torch denken: „Gebäude groß, du bist klein – meine Jungs aus Frankfurt am Main wissen, was ich mein'.“ Denn das „F“ in „Stadtbild F“ steht für Frankfurt. So hat es der Künstler selbst öfter gesagt. Ich wohne seit 15 Jahren in Frankfurt und muss sagen: Ja, manche Gegenden dieser Stadt sehen ähnlich aus wie auf dem Bild: grau, trist und trostlos. Das einzige Problem: Es stimmt nicht, dass dieses Bild Frankfurt zeigt.

Es konnte nachgewiesen werden: Bei der dargestellten Stadt handelt es sich um München. Es müsste also eigentlich Stadtbild M heißen. Das finde ich spannend, denn es zeigt: Die Stadtansichten sind ziemlich austauschbar. Sonst könnte man sie ja gar nicht miteinander verwechseln. So wie auf dem Gemälde sehen einfach viele deutsche Städte aus. Einfach sehr grau.

Es konnte nachgewiesen werden: Und trotzdem erstaunt es mich, dass Gerhard Richter überhaupt irgendeine Verwechslung unterläuft – vielleicht war es ja aber auch Gleichgültigkeit oder sogar Absicht. Er ist nämlich ein ziemlich pedantischer Künstler. Er arbeitet in einer festen Routine mit festen Zeiten – so richtig Deutsch. Wie man sich einen deutschen Künstler halt vorstellt. Zu Essen gibt es in der Regel Joghurt, Tomaten, Brot, Olivenöl und Kamillentee. Ist jetzt nicht so der klassische Rockstar-Lifestyle.

Es konnte nachgewiesen werden: Gerhard Richter ist bekannt dafür, dass er Fotografien nimmt und als Grundlage für seine Gemälde benutzt. Das ist auch bei seinen Stadtbildern der Fall. Es gibt nämlich nicht nur ein Stadtbild, sondern nahezu 50 von etlichen europäischen Städten – „Stadtbild F“ ist also Teil einer Serie. Die Fotovorlagen für die Stadtbilder stammen unter anderem aus Architekturzeitschriften. Spannende künstlerische Quelle. Hauptsächlich sind das Luftaufnahmen von Städten. Und diese Aufnahmen projiziert Richter dann auf die Leinwand und malt das Ganze ab. Und wenn man Zeitungsfotos vergrößert, werden die natürlich sehr grobkörnig. Diesen Effekt erzielt Gerhard Richter auch und zwar durch breite Pinselstriche. Dadurch wirkt das Bild nicht gestochen scharf. Vor allem wenn man nah davorsteht, da wirkt das Ganze sehr abstrakt und durcheinander. Geht man dann aber ein paar Schritte zurück, fügt sich plötzlich alles zu einem gegenständlichen Bild zusammen und man sieht die Stadtansicht. Es ist also eine faszinierende Mischung aus abstrakt und gleichzeitig gegenständlich. Im Prinzip wie Pacman – der ist ja eigentlich auch nur ein abstrakter Kreis, aber irgendwie trotzdem eine vollwertige Computerspielfigur.

Bevor ihr jetzt denkt: „Äh, Gerhard Richter... der malt ja einfach nur Fotos ab.“ Das stimmt so nicht. Ich habe ja eben gesagt, dass er das mit einer sehr eigenen Malweise macht. Er trägt die Farbe sehr dick auf, lässt aber auch manche Bereiche der Leinwand frei und unbearbeitet. Das ist alles echt ein eigener Stil. Und außerdem verändert Gerhard Richter häufig auch die Foto-Vorlagen. Er lässt dann markante Plätze oder Gebäude einfach weg. Zum Beispiel bei seinem Stadtbild von Paris hat er den Arc de Triomphe nicht mitgemalt. Das ist als würde ich New York malen, aber das Empire State Building, das lasse ich dann weg. Ist ja irgendwie schon ein wichtiger Bestandteil. Durch den fehlenden Arc de Triomphe ist es dann sehr schwer, Paris überhaupt zu identifizieren – ähnlich wie eben bei Frankfurt bzw. ja München. Richter geht es also nicht um exakte Stadtansichten. Das sind keine Touri-Bilder, die die Highlights einfangen sollen. Ihm geht es um eine künstlerische Verarbeitung der Städte.

Manche Menschen fühlen sich Richters Bildern erinnert an Luftaufnahmen von zerstörten Städten nach dem Zweiten Weltkrieg – gerade weil so viele Details fehlen. Richter selbst sagt im Rückblick dazu: „Wenn ich mir heute die Stadtbilder ansehe, kommen sie mir wie manche Aufnahmen vom kriegszerstörten Dresden vor." Der Künstler wurde 1932 in Dresden geboren, ihm dürften diese Fotos also durchaus geläufig gewesen sein.

Die Stadtbilder machen übrigens nur einen kleinen Teil von Gerhard Richters Schaffen aus. Er arbeitet wirklich sehr vielfältig: Er macht zum Beispiel verwischte Gemälde von historischen Fotos, aber auch Installationen mit Glas. Im Kölner Dom hat er sogar ein riesiges Kirchenfenster entworfen. Das ist ein Fenster mit lauter bunten Vierecken, das sieht ein bisschen aus wie das Testbild früher im Fernsehen, nur halt im Kölner Dom. Außerdem malt Gerhard Richter Landschaften, Stillleben, Porträts. Bekannt sind aber auch seine komplett abstrakten Gemälde. Eines davon ist das Bild, das für 41 Millionen Euro verkauft wurde. Das ist ein richtig großes Bild und vor allem ist es super bunt. Ein wahres Feuerwerk der Farben. Also, bei Richter ist nicht alles schwarz, weiß und grau. Genau diese künstlerische Bandbreite macht Gerhard Richter für mich so einem großartigen Künstler, weil er sich immer wieder neu erfindet. Wie schön, dass die Kunsthalle Karlsruhe ein Teil dieses Schaffens in der Sammlung hat. Ja, das ist das Schlusswort dieser Folge. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Bis zum nächsten Mal bei Kunstsnack. Macht’s gut. Ciao.

Die Stadtbilder machen übrigens nur einen kleinen Teil von Gerhard Richters Schaffen aus. Er arbeitet wirklich sehr vielfältig: Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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