Es weihnachtet sehr: Anbetung des Kindes vor nächtlicher Landschaft von Paolo Uccello | #57
Shownotes
Perfektes Timing – pünktlich zu den Feiertagen nimmt Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger die Geburt Christi und seine Anbetung näher unter die Lupe. Das vor knapp 600 Jahren entstandene Bild von Paolo Uccello "Anbetung des Kindes vor nächtlicher Landschaft mit den Heiligen Hieronymus, Magdalena und Julian" hat nicht nur einen ganz schön langen Titel, sondern birgt auch eine fast schon krimireife Geschichte.
Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Paolo-Uccello/Anbetung-des-Kindes-vor-n%C3%A4chtlicher-Landschaft-mit-den-Heiligen-Hieronymus-Magdalena-und-Julian/182D4DE845B9A21DD398C49F3AE7B8B3/
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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Lara Di Carlo
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Bruno Kelzer | kelzer.de
Gestaltung: Pia Schmeckthal, Auf die Ohren GmbH
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Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheEs weihnachtet sehr: Paolo Uccello, Anbetung des Kindes vor nächtlicher Landschaft
Was für ein Timing! Diese Folge erscheint exakt am 24. Dezember – in diesem Sinne erst mal: Frohe Weihnachten! Der größte Wunsch auf eurem Wunschzettel geht hiermit in Erfüllung – genau, eine neue Folge Kunstsnack. Mehr kann man sich ja gar nicht wünschen! Und weil wir Füchse sind, haben wir euch extra ein weihnachtliches Bild für heute rausgesucht. Es stammt aus der Sammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Aber das Gemälde ist kein Standard-Weihnachtsbild, sondern geht weit darüber hinaus. Um dieses Werk gab es einen regelrechten Zuschreibungs-Krimi. Denn lange war nicht klar, von wem dieses Bild überhaupt stammt. Heute wissen wir: Es ist höchstwahrscheinlich von dem Künstler Paolo Uccello. Das Bild trägt einen etwas sperrigen Titel und zwar „Anbetung des Kindes vor nächtlicher Landschaft mit Heiligen Hiernoymus, Magdalena und Julian“ – catchy geht anders. Entstanden ist das Ganze um 1436, also vor knapp 600 Jahren. Und über diese Zeit gibt’s viel zu lernen und das kann man auch anhand dieses Bildes. Das schauen wir uns mal näher an. Let’s go!
Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.
Ich kann euch nur empfehlen: Schaut euch das Bild dieser Folge einfach mal an. In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung. Es lohnt sich, auf dem Bild ist einiges los. Apropos los, jetzt geht’s los mit der Bildbeschreibung.
Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung
Erst mal zum Bildformat, denn das ist sehr ungewöhnlich. Das Bild ist ein Hochformat, aber es endet oben in einem Halbrund. Es sieht ein bisschen aus wie die Tür einer Kirche oder von einem fancy Restaurant. Das Werk hat einen beeindruckenden Rahmen, alles golden und richtig breit. An beiden Seiten des Rahmens sind angedeutete eckige Pfeiler. Dadurch wirkt das Bild wie eine goldene Pforte oder wie der Teil eines prachtvollen Tempels. Also, dieses Werk hat wirklich optimale Rahmenbedingungen. Allerdings stammt der Rahmen aus dem 19. Jahrhundert und ist damit nicht zeitgenössisch, aber ich wollte es erwähnen, denn der Rahmen ist super beeindruckend.
Das Bild besteht aus zwei Szenen, die untereinander angeordnet sind. Oben sehen wir die Anbetung Jesu. Das kleine Christuskind liegt auf einer Decke, Maria kniet davor und betet es an. Was Mütter halt so mit ihren Kindern machen. Dahinter sitzt Joseph. Er guckt etwas traurig, als würde er die ganze Sache mit der unbefleckten Empfängnis immer noch nicht ganz glauben. Wir sehen außerdem noch Ochs und Esel, sogar die beiden verneigen sich vor dem kleinen Jesus. Dann ist da noch eine Palme und ganz oben einige Engel. Die ganze Szene findet am Meer statt, von weit hinten kommt ein Schiff angesegelt.
Die untere Szene. Ich hatte ja gesagt, auf diesem Bild befinden sich zwei Szenen. Und diese untere Szene findet in einer Art Höhle statt, also wirklich unterhalb der oberen Szene. Drei Figuren knien auf dem Boden, sie beten und schauen nach oben. Das sind die Heiligen Hieronymus, Magdalena und Julian. Die Höhlendecke ist so niedrig, dass die drei fast mit ihren Heiligenscheinen dagegen stoßen. Das Leben als Heiliger ist eben auch nicht immer leicht. Immerhin erleuchten die Heiligenscheine die Höhle, das ist sehr praktisch. Dazu sind noch drei Tiere gemalt: Ein Löwe, ein Hirsch und ein Hund. Ich sag mal so: Die drei Tiere würde ich jetzt nicht unbedingt entspannt zusammen in ein Zoogehege packen, aber hier sind sie ganz friedlich.
Die Anbetung Christi und die drei Heiligen – das sind eigentlich zwei Szenen, die sonst nicht in einem Bild miteinander kombiniert werden. Die drei Heiligen Hieronymus, Magdalena und Julian sieht man selten zusammen. Vermutlich war das Bild daher für einen privaten Auftraggeber gedacht, der mit den Heiligen etwas bestimmtes verbunden hat und sie deshalb alle drei gemalt haben wollte.
Es gibt noch eine andere Erklärung, zumindest für den Heiligen Hieronymus und die Höhle: Der Künstler Uccello, der das Bild gemalt hat, gehörte einer Bruderschaft an. Und diese Bruderschaft verehrte den Heiligen Hieronymus. Hieronymus berichtete immer wieder davon, dass Christus in einer Grotte in Bethlehem zur Welt gekommen wäre – die Geburtsgrotte. Es ist nämlich auffällig, dass man auf dem Bild keinen Stall sieht – dabei kenne wir aus der Weihnachtsgeschichte immer den Stall. Vielleicht wird aber auch die „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ dargestellt, denn normalerweise sieht man da Joseph ruhen und dazu Palmen - wie auf dem Bild aus Karlsruhe. Ihr merkt also: Ein Bild, viele Thesen. Das Ganze ist ein sehr komplexes Thema über das auch in der Kunstgeschichte viel diskutiert wird. Kunstgeschichte ist eben eine Wissenschaft, wie jede andere eben auch, und da gibt es nun mal viele Ansätze und Theorien.
Der Epochen-Check
Das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe wird der Frührenaissance zugeordnet. Die Renaissance war eine Kunstrichtung, die um 1400 von Italien ausging. Zur Erinnerung: Das Bild dieser Folge ist um 1436 entstanden. In der Renaissance wollte man die Antike wieder aufleben lassen – vor allem die kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften. Der Mensch wurde intensiv studiert und alles sehr wirklichkeitsgetreu gemalt. Es wurde viel Wert auf korrekte Perspektive gelegt.
Das Bild aus Karlsruhe zeigt diese Bemühungen. Der Bildraum erstreckt sich in die Tiefe, auch die Grotte wirkt nicht flach. Die Gesichter sind individuell gestaltet. Der Faltenwurf der Gewänder ist sehr exakt gemalt. Und trotzdem sind auch manche Teile des Bildes noch, ich sag mal, ein bisschen mittelalterlich gemalt. Im Mittelalter vor der Renaissance ging es nämlich nicht darum alles perfekt zu malen, sondern es ging darum, dass man jede Szene und jedes Thema auf dem Bild gut erkennt. Deshalb wurde im Mittelalter vieles etwas schematisch gemalt. Zum Beispiel die Rasenstücke der oberen Szene wirken als hätte man ein Rasenstück genommen und dann einfach Copy-Paste gedrückt. Auch die Palme wirkt wie aus immergleichen Bausteinen zusammengesetzt. Das Werk macht also die Schwelle schön anschaulich zwischen Mittelalter und Frührenaissance – es steht für einen Übergang und eine neue Zeit.
Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight
Die simple Frage „Wer hat's gemacht?“ war bei diesem Bild lange nicht so easy zu beantworten. Die Zuschreibung war umstritten. Es gab in der Forschung einiges hin und her, viele Theorien, viele Namen, die ins Spiel gebracht und wieder verworfen wurden. Künstlerische Zuschreibungen sind ein komplexes Feld, vor allem wenn es um eine Zeit wie vor 600 Jahren geht, in der Werke oft nicht signiert wurden. In der Forschung wird dann viel verglichen, da werden künstlerische Handschriften überprüft, man untersucht Aspekte wie die Komposition und Maltechniken.
Mittlerweile ist man in der Forschung der Ansicht: Der Künstler der Anbetungsszene aus Karlsruhe ist Paolo Uccello. Er wurde 1397 in Florenz geboren und starb dort 1475. Über sein Leben ist nur wenig bekannt. Er bekommt eine künstlerische Ausbildung, arbeitet dann selbstständig und lebt eine Zeitlang in Venedig. Außerdem arbeitete Uccello als Mosaizist. Das Wort habe ich vorher noch nie gehört. Ein Mosaizist ist jemand, der Mosaike herstellt. Mosaizist… oder wie ich sage Mosaik-Macher.
Insgesamt beschäftigte sich Uccello viel mit Perspektive, also mit der Darstellung von Räumlichkeit. Das haben wir ja in der Anbetungsszene aus Karlsruhe schon gesehen. Der Künstler hatte zwei Kinder, beide wurden Kunstschaffende. Uccello gilt als ein wichtiger Vertreter der Frührenaissance und ist damit kunsthistorisch echt bedeutsam.
Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact
Über Paolo Uccello ist zwar nicht so viel bekannt, aber es gibt einen schönen Funfact zu ihm. Uccello bedeutet übersetzt „Vogel“. Es wird berichtet, dass der Name daher kommen könnte, dass Uccello gerne Vögel gemalt hat. Generell malte er gern Tiere. Auf dem Karlsruher Bild finden sich ja auch Löwe, Hirsch, Hund, Esel und Ochse. Einen Vogel sucht man dort allerdings vergebens. Uccello hat wohl auch etliche Abbildungen von Vögeln gesammelt.
Solche Spitznamen sind in der Kunst nicht ungewöhnlich. Vermutlich habt ihr schon mal von dem berühmten Renaissance-Maler Botticelli gehört. Über den Namen gibt es eine Legende: Botticelli heißt übersetzt „Fässchen“ und Botticelli soll den Namen über seinen Bruder bekommen haben, weil der wohl eine sehr rundliche Statur hatte.
Und genau damit ist diese Podcastfolge dann auch eine runde Sache. Ich hoffe, ihr hattet Spaß und habt ein bisschen was mitgenommen. Lasst gern ein kostenloses Abo da. In zwei Wochen geht’s weiter mit Kunstsnack. Ich wünsche euch grandiose Weihnachten, viele Geschenke und schöne Feiertage, Ciao.
Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.
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