Das Paradies und seine Schattenseiten: Häuser in Le Pouldu von Paul Gauguin | #56
Shownotes
Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Ein Sprichwort das ganz gut auf den Künstler Paul Gauguin zutrifft. Seine Werke erzielen Höchstpreise und mit seinem künstlerischen Talent zählt er zu den bekanntesten Kunstschaffenden überhaupt. Doch wieso Gauguins Paradies für ihn schnell zum Alptraum wurde, welche Geschichte sich hinter dem Gemälde "Häuser in Le Pouldu" verbirgt und weshalb der Künstler dabei selbst ordentlich Kritik einstecken muss, erzählt Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger in dieser Folge des Kunstsnack.
Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Paul-Gauguin/H%C3%A4user-in-Le-Pouldu/A80F0323437B4793605003B5612B2854/
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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Lara Di Carlo
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Bruno Kelzer | kelzer.de
Gestaltung: Pia Schmeckthal, Auf die Ohren GmbH
Transkript anzeigen
Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheDas Paradies und seine Schattenseiten: Paul Gauguin, Häuser in Le Pouldu (1890)
Er zählt wohl unter die Top Ten der bekanntesten Kunstschaffenden überhaupt: Paul Gauguin. Viele von euch dürften seine träumerischen Bilder von Tahiti kennen. Gauguin ist ein klassischer Kalenderkünstler. Ich habe das erste Mal Gauguin gesehen bei einem Kumpel, denn dessen Eltern hatten Glasuntersetzer mit Motiven von Gauguin. Von seinen Bildern gibt es Shirts, Taschen, Mauspads, Schlüsselanhänger, Tassen – alles, was das Touri-Herz begehrt. Gleichzeitig wird kaum ein Künstler heute so kritisch gesehen wie Gauguin. Um es mal vorsichtig auszudrücken: Der Typ hatte richtig Dreck am Stecken. In dieser Kunstsnack-Folge schauen wir uns diesen Künstler und sein Werk mal in Ruhe an. Praktischerweise besitzt die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ein wichtiges Bild von Gauguin, nämlich das Gemälde „Häuser in Le Pouldu“ aus dem Jahr 1890. Los geht’s.
Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.
Schaut euch das Bild dieser Folge gerne an. In den Shownotes findet ihr einen Link zur Abbildung.
Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung
So, wenn man vor Gauguins Werk steht, dann schaut man auf eine Dorfstraße, wobei sich die Straße eigentlich nur am rechten Bildrand befindet. Hauptsächlich gucken wir erst mal auf einen großen Erdhügel mit Gras. Daneben steht eine Figur mit Heugabel und ein Gatter versperrt den Weg. Das ist der Vordergrund. Im Mittelgrund stehen einige kahle Bäume, auf der Straße steht eine Frau und scheint zu kehren. Hinten im Bild ist dann ein großes Haus zu sehen und ein Mann sowie ein Pferd. Weitere Häuser sind ganz im Hintergrund noch klein angedeutet. Die Malweise ist ganz spannend unf wechselt zwischen stricheligen und flächigen Bereichen. Insgesamt hat das Bild eine sehr flächige Wirkung, es gibt keine harten Schatten. Das führt zu dem typisch modernen Stil von Gauguin. Er selbst schrieb dazu mal an einen Freund, den er aus unerfindlichen Gründen gesiezt hat: „Arbeiten Sie nicht zu sehr nach der Natur. Kunst ist Abstraktion; holen Sie diese aus der Natur, indem Sie von ihr träumen, und denken Sie an die Schöpfung, die entstehen soll, als an das Vorbild.“ Das bringt Gauguins künstlerische Haltung gut auf den Punkt – das Motiv ist fast zweitrangig, es wird sehr viel Wert auf die Malweise gelegt.
Ehrlich gesagt, ihr hat es vielleicht an der Bildbeschreibung schon gemerkt, ein packendes Postkartenmotiv ist das Bild aus Karlsruhe nicht. Es lebt von seiner Unaufgeregtheit und der Anordnung der Flächen. Wir sehen einen gemütlichen Hafenort und das ländliche Leben. Der Titel „Häuser in Le Pouldu“ verspricht also nicht zu viel.
Let’s talk about money! Was ist es wert?
Vielleicht klang die Bildbeschreibung eben etwas langweilig für euch. Vielleicht habt ihr euch auch das Bild über den Link in den Shownotes angeschaut und dachtet: „Joa, eher unspektakulär“. Der Kunstmarkt sieht das auf jeden Fall entschieden anders. Im Jahr 2000 wurde ein Gauguin-Werk versteigert, das war eine Ortsansicht von Le Pouldu. Das war nicht das Bild aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, aber ein vergleichbares Motiv. Auf dem Werk, das 2000 versteigert wurden sind ein paar Häuser und eine Wiese mit Hunden drauf. Was schätzt ihr, wie viel dafür bezahlt wurde? Überlegt mal, machen wir es wie in einer Quizshow: Düm, düm, düm, düm… 5 Millionen 286 Tausend Dollar. Plötzlich klingt Le Pouldu gar nicht mehr so langweilig, oder? Das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe zeigt eine ähnliche Szene und hat ähnliche Maße… just sayin‘. Nur damit ihr mal einen Eindruck bekommt, in welcher Liga wir hier finanziell spielen. Ich seht, Gauguin zählt auch preistechnisch zur Championsleague der Kunst. Und trotzdem ist bei ihm nicht alles Gold, was glänzt.
Wie wurde das Werk beeinflusst? Interessante Inspirationen
Heutzutage ist der Ort le Pouldu in Frankreich sehr touristisch. Aber 1889, als Gauguin hier her zog, war das noch nicht der Fall. Das Dorf war verschlafen und genau das wollte Gauguin. Wie so viele Menschen seiner Zeit sehnte er sich nach einem Rückzug aus der Zivilisation. Die zunehmende Industrialisierung hatte bei vielen Menschen zu einer Entfremdung von der Natur geführt, viele Kunstschaffende wollten daher wieder mehr Natürlichkeit erleben.
Le Pouldu war eine wichtige Inspirationsquelle für Gauguin. Er malte das Dorfleben, die traditionellen Trachten, die Fischerei und die Küste. Die Armut der Menschen hingegen thematisierte Gauguin nicht. Diese Romantisierung und Aussparung ist etwas, das uns später noch bei Gauguin begegnen wird. Hier in Le Pouldu zeigt sich schon: Gauguin suchte das Ursprüngliche und blendete dabei bestimmte Aspekte einfach aus.
Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight
Dann schauen wir uns den Künstler mal näher an und auch dessen Schattenseiten. Paul Gauguin wird 1848 in Paris geboren. Mit 17 fuhr er zur See, dann arbeitete er als Börsenmakler in Frankreich. Ein Freund brachte ihn schließlich zur Kunst. Vom Bänker zu Bildermaler – eine ungewöhnliche Karriere, Paul Gauguin eben. 1873 heiratete er und wurde Vater von 5 Kindern. 1882 gab es wichtiges Ereignis für Gauguin, denn damals gab es einen Börsencrash. Gauguin verlor seinen Job und setzte jetzt komplett auf die Kunst. Das lief lange nicht so dolle. Gauguin plagten immer wieder Geldprobleme, er zog häufig um und lebte ein unstetes Leben. Seine Frau und die fünf Kinder ließ er sitzen, um seiner Kunst nachzugehen. Gauguins Reisen nach Panama und Martinique machten seine finanzielle Situation nicht besser, stellten aber einen wichtigen Einfluss für seine Kunst dar.
1891 ging Gauguin dann das erste Mal nach Tahiti, eine Insel im Südpazifik. Hier erhoffte er sich ein Paradies voller Ursprünglichkeit. Das hatte allerdings nichts mit der Realität zu tun. Tahiti war inzwischen französische Kolonie. Die einheimische Bevölkerung wurde unterdrückt, viele Menschen waren arm und lebten in der Hauptstadt in Wellblechhütten. Lokale Traditionen und Religion wurden ausgemerzt. Das Paradies Südsee entpuppte sich für Gauguin weitestgehend als Alptraum.
Er war von Tahiti schnell enttäuscht. Verständlich, denn seine Sicht auf Tahiti kollidierte komplett mit der Situation vor Ort. Etwas außerhalb der Hauptstadt ließ er sich dann nieder. Gauguin begann dort eine „Beziehung“ mit einer 13-jährigen Tahitianerin, die ihm auch als Modell diente. Da muss man mal klar sagen: So was ist keine Muse, das ist Sex mit Minderjährigen! Und leider war das Ganze kein Einzelfall. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris kommt Gauguin zurück nach Tahiti. Dieses Mal zeugte er mit einer 14-Jährigen ein Kind. Das ist wirklich schlimm! Und deshalb finde ich, dass man Gauguin nicht einfach abfeiern sollte, sondern man ihn differenziert und kritisch hinterfragen muss.
Auf Tahiti verschlechterte sich Gauguins finanzielle Lage und Gesundheit zunehmend. In dieser Phase malte er trotz dieser Hindernisse einige seiner berühmtesten Bilder. 1903 starb Gauguin dann im Alter von 54 Jahren.
Trotz der kolonialen Verhältnisse und der knallharten Realität auf Tahiti malte Gauguin eine Utopie des Unberührten. Von den Ungerechtigkeiten und den teils desaströsen Bedingungen für die Bevölkerung ist in seinen Bildern nichts zu sehen. Stattdessen malte er eine farbenprächtige, ursprüngliche Welt. Natürlich muss Kunst nicht immer die Wirklichkeit einfangen, keine Frage. Aber Gauguins Tahiti-Bilder sind ein schlechter Reiseprospekt, der wichtige Aspekte ausklammert und beschönigt. Außerdem werden in Gauguins Bildern Frauen häufig zu Objekten der Begierde degradiert. Zugleich bedient Gauguin auch rassistische Stereotype über die Bevölkerung vor Ort, wenn sie als sexuell freizügig, wild und in Anführungsstrichen „primitiv“ dargestellt werden. Man muss sich bei Gauguin klarmachen: Seine Bilder sind keine objektiven Darstellungen, sondern sie sind stark eigefärbt. Außerdem war das Verhalten des Künstlers in einigen Punkten hochproblematisch.
Schon in seinem Bild „Häuser in Le Pouldu“ aus der Kunsthalle Karlsruhe wird eines deutlich: Gauguin blickt romantisierend auf die Welt. Er sucht stets eine ursprüngliche Idylle, die vielleicht nur in seiner Fantasie existierte. Ich weiß, das war keine Comedy-Folge, aber mir war es wichtig mal mit ein paar Dingen bei Gauguin aufzuräumen. Genau dafür ist dieser Podcast ja da, um einen zeitgemäßen Blick auf die Kunst zu ermöglichen. Wir hören uns in zwei Wochen wieder bei Kunstsnack, bis dann, Ciao.
Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.
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