Zwischen Selbstzweifeln und Größenwahn: Das Gastmahl des Plato von Anselm Feuerbach | #52

Shownotes

Mit knapp 18 Quadratmeter ist das Gastmahl des Plato ein gigantisches Werk. Der Künstler Anselm Feuerbach – mit ebenso großem Ego – beweist in jedem Detail des Gemäldes sein herausragendes Talent. In diesem Kunstsnack zeigt Kunstcomedian Jakob Schwerdtfeger, welche Geschichten in dem "Riesenschinken" von Feuerbach stecken, enthüllt eine geheimnisvolle Anspielung und erzählt, warum Feuerbach verzweifelt auf der Suche nach einer Sugarmommy war.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Anselm-Feuerbach/Das-Gastmahl-des-Plato/364DB1734E6F3CAFBF8667934AE87CB6/

Zum Blogbeitrag, in dem berichtet wird, wie der Feuerbach aus dem Gebäude der Kunsthalle transportiert wurde: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/blog/umzug-der-grossformate/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Stefan Lautenschläger und Lara Di Carlo
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt

Transkript anzeigen

Zwischen Selbstzweifeln und Größenwahn

Das Bild dieser Folge ist monströs. Oder um es präzise zu sagen: Das Teil ist ein Riesen-Schinken! 3 x 6 Meter ist die Leinwand groß. Macht Euch das mal klar! Das ist eine Fläche von 18 Quadratmeter – oder rund 180 Pizzakartons, denn Pizzakartons sind ja die eigentlich die einzig wahre Maßeinheit. Das Bild befindet sich in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und trägt den Titel "Das Gastmahl des Plato". Das Bild ist groß und das Ego des Künstlers Anselm Feuerbach war es auch. Der hat über sich selbst mal ganz entspannt gesagt: „Ich bin zu Großem berufen, das weiß ich wohl. Zur Ruhe werde ich erst im Tode kommen. Leiden werde ich immer haben, aber meine Werke werden ewig leben.“ Na, dann wollen wir uns dieses Giganto-Gemälde doch mal näher anschauen. Viel Spaß!

Intro

Auf dem Bild von dieser Folge ist einiges los. Ich empfehle Euch deshalb: Schaut Euch das Bild in Ruhe an. In den Shownotes von diesem Podcast ist ein Link und der führt Euch zur Abbildung. Aber wie immer – ich beschreibe Euch das Bild natürlich zusätzlich.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Kurz zum Background des Bildes, das heißt ja Das Gastmahl des Plato. Das Bild bezieht sich auf den antiken Philosophen Platon und seine Erzählung mit dem Titel Symposion. Symposion heißt auch Gastmahl – deshalb Das Gastmahl des Plato. In dieser Geschichte sitzen viele wichtige und schlaue Männer zusammen und sprechen über Liebe und Erotik. Dabei wird gesoffen. Diese ganze Erzählung von Platon ist eine Mischung aus Lockerroom Talk und tiefgründiger Philosophie. Richtig interessant wird's, als der Politiker Alkibiades bei diesem Gastmahl plötzlich rein kommt. Der ist nämlich sehr betrunken, da passt der der Name ALKIbiades natürlich super. Und dieser Typ hält eine Lobrede auf Sokrates, der bei diesem Gastmahl auch am Start ist. Pikantes Detail: Zwischen den beiden Männern Alkibiades und Sokrates gab es wohl homoerotische Spannungen. Also noch mal ein neuer Aspekt der Liebe. Naja, und dann wird in der Geschichte halt weiter gebechert bis zum Morgen. So viel zum Background – jetzt zum Bild.

Das Gemälde von Anselm Feuerbach zeigt einen antiken Saal mit Marmorsäulen und Bildern an der Wand. Rechts ist eine Figurengruppe – die meisten sitzen oder fläzen sich auf Steinbänken. Platon lehnt an der Wand, Sokrates sitzt an einem Tisch. Nur einer steht: Es ist Agathon, ein antiker Dichter, der Gastgeber der Veranstaltung. Agathon trägt ein weißes Gewand und einen Lorbeerkranz. Diese Figur steht in der Mitte und trennt quasi die linke und rechte Bildhälfte.

Auf der linken Seite des Bildes – also auf der rechten Seite fläzen die Leute rum –und auf der linken Seite platzt plötzlich Alkibiades in diese Szene rein. Und was für einen Auftritt er da hinlegt! Er ist quasi nackt, ein Stück Stoff verdeckt nur noch minimal seinen Intimbereich, wobei dieser Stoff auch gerade wegrutscht. Alkibiades sieht also aus wie ein Stripper, kurz bevor er alle Hüllen fallen lässt. Links und rechts stützt Alkibiades sich auf zwei Mänaden. Das sind in der Mythologie Anhänger*innen von Dionysos, dem Gott des Weines. Außerdem begleiteten Alkibiades noch ein paar Kinder und andere Figuren, die Girlanden und Fackeln tragen. Alkibiades kommt zu dem Gastmahl also einmarschiert wie ein Wrestler in den Ring.

Also nochmal zusammengefasst: Wir haben rechts im Bild eine ziemlich entspannte Figurengruppe, die da rumliegen und an Tischen sitzen, und links dann eine echte Partytruppe wie vom Ballermann. Dadurch wird das Bild in zwei Hälften geteilt: links ist die Lust, die Sinnlichkeit, der Überfluss. Und rechts das Geistige, Gesetzte, Zurückhaltende. Ein echter Clash of Styles.

Was macht das Werk so besonders?

Das Besondere an diesem Gemälde ist die Größe und seine Geschichte. Fangen wir mit der Größe an: Ich hatte ja schon gesagt, dass dieses Bild riesig ist. So riesig, dass es die Kunsthalle Karlsruhe vor ziemliche Probleme gestellt hat. Aktuell wird das Museum saniert, deshalb musste das Bild woanders hin. In der Kunsthalle Karlsruhe hing das Bild ganz prominent, wie passend, im Feuerbachsaal. Aber jetzt musste es eben raus. Problem: Das Werk passte nicht nur die Tür. Also, wurden die Fenster geöffnet und Teile der Oberlichter temporär entfernt, um dieses Bild überhaupt raus zu transportieren. Das Ganze passierte mit einem Kran, der hat das Bild runter befördert auf die Straße, die extra nachts dafür abgesperrt wurde.

Auch für den Künstler Anselm Feuerbach war die Größe des Bildes eine Herausforderung. Er suchte lange nach jemandem, der die Ausführung des Gemäldes finanzieren und das Bild kaufen sollte. Feuerbach sagte über Das Gastmahl des Plato: „Wäre das Gastmahl nicht, so könnte ich glücklich sein; aber es macht sich breit und drängt sich vor und verengt in mir das Denken. Es nährt sich von meinem Herzblut und greift mir in’s innerste Leben.“ Wow, das ist Leidenschaft. Dem Maler Feuerbach war dieses Bild also ein echtes Herzensanliegen, sein großer Wurf.

Da er vorab keine Kaufinteressierten fand, malte Feuerbach das Giganto-Gemälde auf eigene Rechnung. Zwei Jahre brauchte er. Und als er endlich fertig war, gab es direkt einen richtigen Tiefschlag: 1869 wurde das Bild das erste Mal präsentiert und... ja, kam nicht bei allen gut an. Trotzdem fand sich dann eine Käuferin: Marie Röhrs, eine Malerin und Sammlerin. Für das Bild gab sie ein Drittel ihres Vermögens aus. Was für ein Commitment! Aber gut, sie war halt auch Griechenland-Fan und da passte so ein antikes Thema natürlich super. Bis zu ihrem Lebensende behielt die Sammlerin das Bild und verkaufte es kurz vor ihrem Tod dann an die Kunsthalle Karlsruhe.

Dort blieb das Bild bis 1936. Denn in dem Jahr wollte Adolf Hitler das Bild haben. Er wollte es in die Reichskanzlei in Berlin hängen. Hitler mochte keine moderne Kunst, er hatte einen sehr konservativen Kunstgeschmack: klassische Darstellungen, gerne im antiken Gewand. Natürlich mochte Hitler deshalb die Kunst von Anselm Feuerbach. Die Nazis hatten einen absurden Ewigkeitsanspruch und Größenwahn – das Gastmahl des Plato gefiel ihnen daher gut. Und so wurde es von Karlsruhe nach Berlin gebracht und landete dort im Empfangssaal der Reichskanzlei. Hier wurden auch Staatsbankette ausgerichtet und mit dem Bild konnte man Leute beeindrucken.

Hitler fand das Bild so lange toll, bis ein Kunsthistoriker eine Bemerkung über das Bild machte, die alles veränderte. Der Kunsthistoriker hieß Kurt Martin und war Direktor der Kunsthalle Karlsruhe. Er wies Hitler auf die Homosexualität von Alkibiades hin. Das ging für Hitler natürlich gar nicht. Zack! Sofort wurde das Bild abgehängt und direkt an die Kunsthalle Karlsruhe zurückgegeben. Also, das Kunstwerk von Feuerbach ist nicht nur groß, sondern es hat auch eine bewegte Geschichte.

Wer hat‘s gemacht? Künstler im Spotlight

Anselm Feuerbach lebte von 1829 bis 1880. Und um es auf den Punkt zu bringen: Anselm Feuerbach hatte einen soliden Sockenschuss. Bei ihm hat es ständig geschwankt, entweder war er übertrieben überzeugt von sich oder er zweifelte stark an sich selbst. Insgesamt ein ziemlich schwieriger Charakter, aber eben halt auch ein echt guter Künstler.

Schon in der Schule fällt Feuerbachs künstlerisches Talent auf, weil er sehr gut zeichnen kann. Schon mit 15 kommt er dann als Schüler an die Düsseldorfer Kunstakademie. Das ist ja an sich schon eine Ansage – mit 15, aber Feuerbach ist nicht zufrieden. Sein Lehrer, der berühmte Maler Wilhelm von Schadow war ihm bald nicht mehr nicht gut genug. Feuerbach bezeichnet seinen Lehrer als Null und ist überzeugt, er strebe nach Höherem. Für einen Jugendlichen ist das echt ein ordentliches Selbstbewusstsein. Nach drei Jahren verlässt er dann tatsächlich die Kunstakademie in Düsseldorf.

Nach einigen Ortswechseln verschlägt es Feuerbach nach Rom. Diese Stadt mit ihrem antiken Erbe und alten Meistern beeindruckt ihn sehr. Viele Akademien bemühen sich um Feuerbach, aber er lehnt viel ab. Schlussendlich geht er dann als Professor an die Kunstakademie in Wien. Dort bleibt er jedoch nicht lange und stirbt dann 1880 an einem Herzinfarkt in Venedig.

Sein ganzes Leben lang fühlte sich Feuerbach als unverstandener Künstler. Mit Kritik konnte er wohl gar nicht umgehen. Er wurde richtig wütend und zerschlug teilweise sogar seine eigenen Werke. Immer wieder zerstreitet er sich mit wichtigen Leuten. Feuerbach war zwischenzeitlich auch ziemlich einsam unterwegs. Von seiner Mutter ließ er sich potentielle Ehefrauen vorschlagen. Seine Voraussetzung: Reich. So wollte er sich und seine Kunst finanzieren. Der Super-Maler suchte eine Sugar Mommy.

Mit dem Gastmahl des Plato hat Feuerbach auf jeden Fall ein großes Erbe hinterlassen, ein auf jeder Ebene beeindruckendes Werk. Und wenn Ihr mehr großartige Kunst kennenlernen wollt, dann folgt doch diesem Podcast. Wir sind jetzt nämlich am Ende dieser Folge angelangt. In zwei Wochen geht es dann aber direkt weiter mit der nächsten Folge von Kunstsnack. Bis dann, macht's gut, Ciao.

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