Netflix in Bildform: Bathseba vom Südniederländischen Meister | #48
Shownotes
In diesem Kunstsnack geht es um die biblische Geschichte rund um Bathseba bzw. um dieses Gemälde des südniederländischen Meisters. Klingt langweilig? Ist es aber nicht, denn dieses Bild steckt voller Anspielungen und fängt ein ganzes Leben ein, das einer Netflix-Serie ähneln könnte. Worum es geht, warum es vor allem den Male Gaze zeigt und inwiefern es an einen Comic erinnert, erfahrt Ihr in der Episode.
Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/S%C3%BCdniederl%C3%A4ndischer-Meister/Bathseba/6C35723646BDD4E730F674A0B702E7A2/
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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.
Transkript anzeigen
Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheNetflix in Bildform: Bathseba vom Südniederländischen Meister
Dieses Bild fängt ein ganzes Leben ein. Denn hier werden verschiedene Lebensstationen einer biblischen Figur gezeigt: Bathseba. Nach ihr wurde übrigens sogar ein Asteroid benannt. Also, diese Kunstsnackfolge reicht hoch bis ins All. Es geht um ein Bild aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, das um 1560/70 gemalt wurde. Der Titel ist wenig überraschend „Bathseba“. Wer hat es gemalt? Das ist schon kniffliger, denn einen Namen haben wir nicht überliefert. Deshalb heißt der Künstler südniederländischer Meister. Dann gehen wir der Story dieses Bildes mal auf den Grund. Seid euch sicher, es wird heftig. Let's go!
Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger
Auf diesem Bild gibt es enorm viel zu sehen. Daher empfehle ich euch sehr: Schaut euch das Werk an. In den Shownotes findet ihr einen Link zu Abbildung. Und ausnahmsweise starten wir nicht mit einer Bildbeschreibung, sondern mit ein paar Hintergründen zu Bathseba.
Worum geht’s hier eigentlich? Die Message
In diesem Bild geht es um die biblische Figur Bathseba, daher hier ein paar Infos zu ihr. Diese Geschichte hat es in sich. Menschliche Abgründe, Durchtriebenheit, ein Seitensprung, Betrug und Tod – hier ist alles dabei, was als Stoff für eine Netflixserie taugen würde.
Fangen wir an: Bathseba war die Frau von einem gewissen Urija. Den Namen müsst ihr euch bitte merken. Urija, der Mann von Bathseba. Ok. Und dieser Urija war ein Offizier, ein Mitglied einer Eliteeinheit, eine Art Navy Seal des Altertums. Urija war im Krieg.
Er diente König David. Auch den Namen bitte merken. Dieser König David machte sich an Bathseba ran, als ihr Mann kämpfen war. Er ließ Bathseba zu sich holen und schlief mit ihr. Bathseba wurde schwanger von König David und das gefiel dem König gar nicht. Er ließ Urija zurück nach Hause holen, nach Jerusalem. Er hoffte: Bathseba und Urija haben ein Techtelmechtel und dann denkt Urija: „Klar, das Kind ist meins.“
Aber das passierte nicht. Also schickte König David Urija per Brief wieder an die Front. Und zwar an eine Stelle, wo der Kampf besonders heftig tobte. Dort starb Urija dann wie geplant. Daher kommt übrigens der stehende Begriff Uriasbrief. Das steht für das Überbringen von Unglück wie die Hiobsbotschaft.
Bathseba wurde nach dieser ganzen Intrige die achte Frau von König David. Das Kind von Bathseba und König David war Salomo, der dritte König Israels. So, und diese unschöne Story wird in dem Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe dargestellt.
Also noch nach mal schnell die Kurzfassung: König will mit Frau schlafen, Frau wird schwanger. Betrogenem Mann soll Kind untergeschoben werden, klappt nicht. König lässt Mann draufgehen. Frau und König kriegen Kind. Ende.
Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage: Wie viel Mitspracherecht hatte Bathseba in dieser ganzen Geschichte? Ist sie aktiv bösartig oder wird sie von König David gezwungen?
Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung
Wir haben es hier mit einem recht großen Bild zu tun 120 x 147 cm. Die Technik ist Öl auf Eichenholz. Im Vordergrund und in der Mitte des Bildes sehen wir Bathseba. Sie hat Schmuck im Haar und ist ansonsten komplett nackt. Gemalt ist der Moment, als König David sie beim Baden beobachtet und danach nach ihr schicken lässt für... Knick Knack.
Es geht König David also vor allem um Bathsebas Körper und darum geht es dem Maler des Bildes offenbar auch. Bathseba wird auf ihre Sinnlichkeit reduziert. Sie hat steife Nippel und wird als ständig verfügbare Frau gemalt. Ein klassisches Beispiel für den sogenannten male gaze – den männlichen, heterosexuellen Blick auf die Frau. Das wird dadurch verstärkt, dass auch die Dienerinnen aus nackt gemalt sind. Man bekommt das Gefühl, dass es in diesem Bild eigentlich nur darum geht, nackte Frauen in verschiedenen Posen zu malen. Und tatsächlich war es damals im 16. Jahrhundert okay Nacktheit zu malen, solange es im Kontext einer religiösen Szene war. Also, die Bibel als Vorwand für Brüste. Das kann man sich nicht ausdenken.
Auf dem Bild wird Bathseba mit einem Arm in ein Gewand geholfen. Vor ihr liegt links Schmuck – vielleicht eine Anspielung auf die Todsünde Verschwendungssucht. Rechts vorne im Bild ist ein kleiner nackter Junge, der mit einem Hund spielt. Hinter Bathseba steht ein großer Baum. Mit ihr als nackter Frau davor erinnert das schon sehr an Eva-Darstellungen. Sünde und Versuchung – das steckt hier schon mit drin. Außerdem wird der Baum von Efeu umwickelt. Efeu stand für eheliche Treue – tja, nur dass dieser Efeu schon teilweise verdorrt. Vielleicht eine Anspielung auf den bevorstehenden Ehebruch?
Aber hier wird nicht nur auf Eva und den Sündenfall angespielt, sondern auch auf Venus. Ich denke, ihr kennt alle das Bild „Die Geburt der Venus“ von Botticelli, auf dem Venus auf einer Muschel surft. Bathseba hat eine ganz ähnliche Körperhaltung.
Ihr merkt, schon hier sind super viele Anspielungen versteckt und das hört beim Rest des Bildes nicht auf. Im Hintergrund des Gemäldes befindet sich rechts ein kunstvoll angelegter Irrgarten. Dieser könnte für die Irrwege stehen, auf denen wir Menschen uns manchmal befinden. Über dem Irrgarten ragt noch eine Burg auf.
Links im Bild ist unten ein Badebecken. Denn Bathseba war ja baden. Darüber befindet sich ein Laubengang und darüber ist der königliche Palast. Wenn man genau hinschaut sieht man in diesem Palast, in den Öffnungen, Durchblicken und Terrassen verschiedene Szenen der biblischen Geschichte, die ich euch schon erzählt habe. Die einzelnen Szenen zeigen verschiedene Stationen nacheinander – eigentlich ziemlich ähnlich wie ein Comic. Da wird ja auch Bild für Bild alles erzählt. Das Gemälde des südniederländischen Meisters baut die Story im Bild auf wie in einer Theaterkulisse. Aber man muss echt genau hingucken, um alles zu erkennen. Ein wahnsinnig vielschichtiges Bild!
Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact
Sogar Pablo Picasso ließ sich von der Geschichte von Bathseba inspirieren. Das Motiv bleibt also bis weit ins 20. Jahrhundert relevant. Ein Picasso-Werk zeigt David und Bathseba. Und wo befindet es sich? Natürlich in der Kunsthalle Karlsruhe. Generell muss man sagen: Bathseba war ein sehr beliebtes Motiv in der Kunstgeschichte. Berühmte Künstler wie Rembrandt und Lucas Cranach haben es ebenfalls aufgegriffen.
Ein weiterer Funfact ist: Die Geschichte von Bathseba ist sehr alt, aber der südniederländischer Meister verortet die Szene in seine damalige Zeit im 16. Jahrhundert. So was wie Irrgärten, eine mittelalterliche Burg und die gesamte Art der Architektur gab es im Altertum noch nicht.
Hui, das war heute auf jeden Fall eine Menge Bibel-Nachhilfe. Gern geschehen. In zwei Wochen geht es wie immer weiter mit Kunstsnack und dann nehme ich mir das nächste Werk aus der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe vor. Bis dann, macht's gut, Ciao.
Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.
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