Gemaltes Geheimnis: Stillleben mit Blumen und Goldpokalen von Clara Peeters | #43

Shownotes

Sie war eine Vorreiterin und stand dennoch lange im Schatten ihrer männlichen Künstler-Kollegen: In dieser Kunstsnack-Folge geht es um Clara Peeters und ihr Stillleben mit Blumen und Goldpokalen aus dem Jahr 1612. Was es mit den Pokalen, Muscheln und der besonderen Keramik-Schale auf sich hat, welche Message das Bild vertritt und was die Champions League damit zu tun hat, erfahrt Ihr kurz, knapp und humorvoll von Jakob Schwerdtfeger.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Clara-Peeters/Stillleben-mit-Blumen-und-Goldpokalen/5FD98F2F43326A9D8C0252AE6C774C59/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheGemaltes Geheimnis: Stillleben mit Blumen und Goldpokalen von Clara Peeters

Das Kunstwerk, um das es heute geht, birgt ein Geheimnis. Außerdem es ist eine echte Rarität und das gleich aus mehreren Gründen. Und qualitativ spielt das Bild in der obersten Liga. Also, das ist echt die Champions League der Kunst aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Denn es geht um das „Stillleben mit Blumen und Goldpokalen“ von der Künstlerin Clara Peeters. Das Werk ist über 400 Jahre alt, denn es stammt aus dem Jahr 1612. Was die Zeitschrift „Brigitte“ mit der ganzen Sache zu tun hat – das erfahrt in dieser Folge. Viel Spaß!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Den Anblick dieses Werks wollt ihr nicht verpassen! Deshalb schaut in die Shownotes von diesem Podcast. Da findet ihr einen Link, unter dem ihr euch das Bild anschauen könnt. Und jetzt kommt wie immer zusätzlich meine Bildbeschreibung.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Wir haben es hier mit einem prunkvollen Stillleben zu tun. Wir sehen eine Tischplatte. Darauf stehen zwei Goldpokale und eine Vase mit Blumen. Außerdem drei Muscheln und eine Schale mit einer Goldkette drin, daneben ein Haufen Goldmünzen. In etwa so stelle ich mir übrigens den Tisch bei Prinz Marcus von Anhalt vor – voller Statussymbole und Geld. Alles pure Show! So was ordnest du an, wenn du deine Gäste richtig beeindrucken willst. So wie man ja, wenn Besuch kommt, gerne noch mal ein schlaues Buch offen rumliegen lässt. Genau aus dem Grund haben Menschen James Joyce „Ulysses“ im Regal. Das hat ja kaum jemand ernsthaft gelesen.

Naja, was an dem Bild sofort auffällt, ist die gestochen scharfe Malweise. Hier war ein wahrer Profi am Werk. Jedes Objekt wirkt super plastisch, jedes Detail ist fein gemalt. Das Licht spiegelt sich perfekt in den Goldpokalen. Man kann förmlich die Kühle des Metalls spüren und die Weichheit der Blumenblätter. Das ist ein klassisches Bild, wo ich davorstehe und einfach nur denke: „Krass, das könnte ich niemals.“ Als ich das letzte Mal gezeichnet hab, sah mein Pferd aus wie ein Kamel. Wie viel Geduld und Können da jemand aufgebracht hat, um das alles so wiederzugeben. Wahnsinn! Was an der Inszenierung schlau ist: Alle Gegenstände sind vor einem dunklen Hintergrund gemalt. Dadurch kommen die natürlich noch mal besser zur Geltung und strahlen deutlich mehr. Das ist echt ein prunkvolles Stillleben mit viel Bling Bling.

Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Kurz zusammengefasst, ist die Botschaft des Bildes: Vergänglichkeit... Ok, das dürfte euch noch nicht zufriedenstellen. Also gehen wir ins Detail. Wir sehen hier enormen Reichtum auf dem Bild. Die Porzellanschale auf dem Bild kommt aus China. Das ist sogenannte Seladon Keramik. Während der Ming-Dynastie war die sehr beliebt, denn diese leicht türkise Glasur erinnert an Jade. Auch die ungewöhnlichen Schneckenhäuser auf dem Stillleben sind aus fernen Ländern. Die Niederlande waren nämlich eine mächtige Handelsmacht und daher stammt das Bild. Es ist also eine Demonstration des nationalen Stolzes der Niederlande. Worauf war man stolz? So ein bisschen auf die Reichweite der Seefahrernation, denn die Reichweite ging echt weit und genau das zeigt ja die Schale aus China.

Im 17. Jahrhundert waren die Niederlande sehr, sehr reich. Aber all der Reichtum – auch die goldenen Münzen, die Pokale und die Kette – all der Reichtum ist vergänglich. Geld ist vergänglich. Das wissen alle, die früher ihr ganzes Taschengeld am Süßigkeitenregal gelassen haben oder... in Wirecard-Aktien investiert haben. Nichts von dem Luxus auf dem Bild können wir mit rüber nehmen. Das ist die Botschaft des Stilllebens.

Um Vergänglichkeit geht’s auch bei dem Blumenstrauß auf dem Gemälde. Die eine Blume verblüht bereits, die Blütenblätter hängen schon traurig nach unten. Und eine rote Tulpe ist sogar aus dem Strauß gefallen und liegt verloren auf der Tischplatte.

Generell kann man sagen, in Stillleben aus dieser Zeit geht’s eigentlich immer um Vergänglichkeit. Man spricht da auch von Vanitas. Das ist Latein und heißt – Überraschung – Vergänglichkeit. Aber ich wollte, dass mein Latinum aus der Schule auch mal für irgendwas gut ist. Gibt ja wenig Anwendung dafür, deshalb nehme ich jede Gelegenheit mit.

Der Blick fürs Detail

Wenn man ganz, ganz genau hinguckt, dann sieht man das Geheimnis, von dem ich am Anfang gesprochen habe. Auf dem Stillleben ist nämlich etwas versteckt. Und zwar... ein Selbstporträt der Künstlerin Clara Peeters. Genau genommen sind es sogar mindestens sechs. „Aber Jakob, wo sind denn jetzt diese Selbstporträts?“ Danke für die Frage. In dem einen Goldpokal. Da sind gewölbte, spiegelnde Flächen und in denen sieht man die Künstlerin. Deshalb meinte ich auch „mindestens sechs Selbstporträts“, denn auf sechs Flächen kann man die Künstlerin klar erkennen. Bei den anderen Spiegelungen kann man es nicht exakt sagen.

Wir sehen also Clara Peeters. Sie trägt ein schwarzes Gewand mit hellem Kragen. Die Haare hat sie nach hinten gebunden. In den Händen hat sie eine Malpalette und Pinsel, sie ist konzentriert bei der Arbeit. Die Künstlerin malt sich also, während sie das Stillleben malt. Richtig meta! Das Ganze hat was von einem Easter Egg, diese kleinen Geheimnisse in Computerspielen und Filmen. Also, was lernen wir daraus? Immer genau hingucken.

Clara Peeters demonstriert hier ihr krasses Können. Das ist nicht nur ein hervorragendes Stillleben, sondern auf winzigem Raum kreiert sie auch noch etliche Selbstporträts – inklusive optischer Verzerrungen auf dem gewölbten Pokal. Wow! Und jetzt könnte man ja auch denken, vielleicht geht es hier um Vergänglichkeit auch die eigene Vergänglichkeit der Künstlerin. Nee, vermutlich ist eher das Gegenteil der Fall. Clara Peeters verewigt sich in der Kunst und damit ist es quasi eine Anspielung auf die Unvergänglichkeit der Kunst. Die Blumen verblühen, aber das Bild bleibt bestehen. Clara Peeters hat das übrigens öfter gemacht, dass sie in ihrer Kunst Selbstporträts versteckt hat. Kunst von Clara Peeters ist also oft auch ein Suchspiel. Großartig!

Wer hat‘s gemacht? Künstlerin im Spotlight

„CLARA . P. ANNO . 1612“ – das steht unten links auf dem Stillleben. Eine Datierung und Künstlerinnensignatur – so weit, so normal. Nee, überhaupt nicht normal, früher, Anfang des 17. Jahrhunderts war das gar nicht üblich. Signaturen von Kunstschaffenden aus dieser Zeit sind eher selten. Offenbar wollte Clara Peeters ganz deutlich machen – dieses Stillleben ist von mir. Das unterstreicht sie ja auch mit ihren versteckten Selbstporträts.

So, aber wer war diese Clara Peeters eigentlich genau? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn es gibt nur wenige Informationen zu dieser Künstlerin. Über Clara Peeters ist so wenig Biografisches bekannt, sie wäre die perfekte Geheimagentin gewesen. Man weiß zum Beispiel nicht, wann genau sie in Antwerpen geboren wurde. Um das Jahr 1590 herum nimmt man an. Sie war eine flämische Künstlerin, ihre künstlerische Ausbildung absolvierte sie bei – ja, auch das weiß man nicht genau. Aber so gut, wie sie war, muss sie bei einem sehr soliden Maler in die Lehre gegangen sein. Vielleicht bei ihrem Vater, denn der war selbst Künstler.

Was aber sicher ist: Clara Peeters war eine Vorreiterin. Sie ist die erste dokumentierte Stilllebenmalerin Anfang des 17. Jahrhunderts. Außerdem war sie die Erste, die eigenständige Fischstillleben schuf. Vorher hat man Fischen keine ganzen Bilder gewidmet – die waren Teil von Marktszenen oder Küchenszenen.

Es ist davon auszugehen, dass Clara Peeters bereits zu Lebzeiten ziemlich bekannt war. Denn einige ihrer Werke findet man in Sammlungsinventaren schon im 17. Jahrhundert. Dabei hätte sie eigentlich zu dieser Zeit als Künstlerin gar nicht in Antwerpen arbeiten können. Denn Kunstschaffende mussten in einer Malergilde registriert sein. Das war sie nicht. Aber Frauen, die von ihren Vätern gelehrt wurden (und das war nicht selten), durften auch so malen – ohne Mitgliedschaft in einer Malergilde.

Dass Clara Peeters Stillleben gemalt hat, ist nicht so verwunderlich. Denn Frauen durften zu dieser Zeit kein Aktstudium betreiben. Das war ihnen verboten. Künstlerinnen durften keine nackten Körper studieren. Das muss man sich mal klar machen. Kein Aktstudium als Künstlerin! Wie willst du denn dann vernünftig Menschen malen?! Das ist als dürfte man Bäume malen, aber nur mit Laub! Niemals ohne. Vollkommen absurd, aber das war bis weit ins 19./20. Jahrhundert so. Stillleben waren deshalb für Frauen eine Alternative als Motiv.

Clara Peeters hat sich auf jeden Fall durchgesetzt – sie hat es nämlich bis in die Zeitschrift „Brigitte“ geschafft. Dort erschien vor einiger Zeit ein Artikel zu ihr. In Büchern über das Who is Who der Künstlerinnen ist sie regelmäßig vertreten. Und sie hat es in den Olymp der Kunst geschafft: Sie ist in der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe! So, das war's schon wieder mit der heutigen Folge. Wenn euch Stillleben-Malerinnen noch mehr interessieren, hört Folge 11 von Kunstsnack. Da geht’s um die Künstlerin Rachel Ruysch. Auf jeden Fall danke, dass ihr dabei wart. Macht's gut, Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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