Bekannter als Vermeer: Eine Magd mit Eimer in einem Hinterhof von Pieter de Hooch | #41

Shownotes

Er war zu Lebzeiten bekannter als Jan Vermeer: Pieter de Hooch. In dieser Kunstsnack-Folge geht es um sein Gemälde "Eine Magd mit Eimer in einem Hinterhof". Jakob Schwerdtfeger erklärt Euch, was es mit dem Goldenen Zeitalter und der Genremalerei auf sich hat, warum Pieter de Hooch ein Erfinder ist und was das Gemälde mit Meditation oder Drohnen zu hat.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Pieter-de-Hooch/Eine-Magd-mit-Eimer-in-einem-Hinterhof/5D2369504071D35026D21BBA86C65D5D/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheBekannter als Vermeer: Eine Magd mit Eimer in einem Hinterhof von Pieter de Hooch

Ich bin mir sehr sicher: IIhr alle kennt den Maler Jan Vermeer. Es gibt sogar einen ganzen Roman und einen Film zu ihm: Das Mädchen mit dem Perlenohrring. 2023 gab es eine Vermeer Ausstellung in Amsterdam – da waren die Karten schon vor Ausstellungsbeginn weg. Das habe ich noch nie erlebt. 650.000 Leute waren da. So, und jetzt macht euch klar: Heute in dieser Folge geht es um einen Künstler, der zu Lebzeiten bekannter war als Vermeer. Sein Name: Pieter de Hooch. Mittlerweile hat sich das komplett geändert. Pieter de Hooch kennt kaum jemand mehr. Zeit also, ihm eine Kunstsnack-Folge zu widmen und ihn damit ins Bewusstsein der Massen zu bringen, die natürlich alle diesen Podcast hören. In diesem Sinne, viel Spaß!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Bevor ich anfange: Schaut gerne in die Shownotes von diesem Podcast. Da ist ein Link zur Abbildung. Dann könnt ihr euch das Bild dieser Folge in Ruhe angucken. Und jetzt – geht's los.

Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Wie ihr euch schon denken könnt, geht es um ein Bild von besagtem Pieter de Hooch aus dem Jahr 1660. Das befindet sich in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und trägt den Titel: "Eine Magd mit Eimer in einem Hinterhof“. Der Titel ist quasi eine Bildbeschreibung in Kurzform. Eine Magd mit einem Eimer in einem Hinterhof. Aber hier noch etwas mehr Details: Also, in der Mitte von dem Bild steht eine Magd. Ihre Kleidung hat die gleichen Farben wie die französische Flagge: blau, weiß, rot.

In der einen Hand hält sie einen Eimer und in der anderen vermutlich einen Besen. Der wird aber von ihrem Kleid verdeckt. Vor ihr picken zwei Hühner auf dem Boden. Die ganze Szene spielt sich in einem Hinterhof ab. Hinter der Magd sieht man die Rückseite von einem Haus mit einem Baum davor. Daneben ist ein hoher Holzzaun. Die Tür von dem Zaun ist offen und dadurch fällt ein breiter Streifen Licht in den Innenhof.

So eine Art Bild, mit so einer alltäglichen Szene, sowas nennt man Genrebild. Genremalerei zeigt alltägliche Szenen. Und das hier ja definitiv der Fall. Ich finde das Bild richtig schön und sehr beruhigend. Irgendwie wirkt das Ganze so entspannt, weil die Magd so entspannt ist. Sie scheint in sich gekehrt und ganz im Moment zu sein. So eine Ruhe verspüre ich nur beim Bügeln – da kann ich so richtig abschalten. Das ist richtige Meditations-Malerei für mich!

Was macht das Werk so besonders?

Pieter de Hooch gilt als Erfinder eines Bildtyps: Er war der erste niederländische Maler, der die Höfe bürgerlicher Häuser gemalt hat. Er hat diese etwas abgeschiedene Welt hinter den Zäunen für sich entdeckt. Wenn es damals schon Drohnen gegeben hätte, wäre er wahrscheinlich ständig über irgendwelche Höfe geflogen. Aber das macht seine Malerei besonders. Diese Intimität und die nahbaren häuslichen Szenen.

Außerdem stammt das Bild aus Pieter de Hoochs stärksten Schaffensphase – 1660. Kurz danach zieht er nach Amsterdam. Aber das Bild aus Karlsruhe entsteht noch in der Stadt Delft – man kann die Stadt durch den geöffneten Zaun sehen. Man sieht die alte und neue Kirche und das Rathaus. Quasi die damalige Skyline von Delft.

Man kann hier zwar reale Gebäude identifizieren, aber das macht das Bild noch nicht zu einer Art Foto. Das hier ist kein Abbild der Wirklichkeit. Die Höfe, die Pieter de Hooch malt, entspringen seiner Fantasie – er baut das Bild so, wie es ihm passt. Und auch die Frau ist für ihn ein Baustein – in etwas veränderter Form taucht sie in mehreren Gemälden von ihm auf.

Pieter de Hooch malt Delft als friedliche, ruhige Stadt. Das war allerdings nicht immer so. 6 Jahre bevor das Bild entstand, kam es 1654 zum sogenannten „Delfter Donnerschlag“. In Delft befand sich nämlich ein geheimes Waffenlager mitten in der Stadt. Und das explodierte plötzlich. Hunderte Menschen starben, ein Drittel aller Häuser in der Innenstadt gingen kaputt. Unter den Opfern war auch ein Schüler von Rembrandt: Carel Fabritius. Sowohl Rembrandt als auch Fabritius waren übrigens wichtige Einflüsse für Pieter de Hooch.

Von wann ist das Werk? Historischer Hintergrund

Kurz zur Erinnerung: Das Bild dieser Folge ist von 1660. Der Maler Pieter de Hooch wird 1629 in Rotterdam geboren und stirbt 1684 in Amsterdam. Er erlebt also große Teile des 17. Jahrhunderts und da hat er großes Glück. Denn diese Zeit gilt als das „Goldene Zeitalter“ der Niederlande. Das war eine kulturelle Blütezeit sondergleichen. Die bildenden Künste florieren, es werden unglaublich viele Kunstwerke geschaffen. Stillleben, Genrebilder und Interieurszenen (also Innenräume) werden sehr beliebt. Pieter de Hooch malt zunächst viele Interieurs, erst später malt er auch Motive, die draußen spielen.

Warum sind die Niederlande im Goldenen Zeitalter so heftig aufgeblüht? Das hatte viel mit den Kolonien zu tun. Durch regen Handel mit Übersee kam wahnsinnig viel Geld ins Land. Die Niederlande wurden zu dieser Zeit zur Welthandelsmacht. So ein kleines Land mit so viel Macht und Geld. Aber der Begriff Goldenes Zeitalter ist trügerisch. Er täuscht darüber hinweg, dass dieser wirtschaftliche Aufschwung durchaus blutig war. Die Kolonien wurden gewaltsam ausgebeutet und unterdrückt. Daher kam ein Großteil des Reichtums.

Dieses ganze Geld floss auch in die Kunst und in den Kunstmarkt. Viele Bürger*innen waren zu Wohlstand gekommen, es gab eine breite Mittelschicht. Um die Nachfrage nach Bildern zu bedienen, entwickelte sich eine regelrechte Bilderindustrie. Viele Kunstschaffende spezialisierten sich auf ganz bestimmte Motive. Die absolute Hochphase hatte das Goldene Zeitalter Mitte des 17. Jahrhunderts. Da malten etwa 700 Künstler*innen ca. 70.000 Bilder pro Jahr. Das ist unfassbar viel. So was hat es in der Kunstgeschichte bis dahin nicht gegeben und auch lange danach nicht mehr. Und Pieter de Hooch war mittendrin.

Für seine Genrebilder konnte er hohe Preise nehmen. Trotzdem lebte er zeitweise in einem ärmlichen Viertel in Amsterdam. Ein eigenes Haus hat er sich nie gekauft. Warum ist unklar. Insgesamt ist nicht allzu viel über Pieter de Hoochs Leben bekannt. Aber zum Glück spricht seine Kunst einfach für sich.

Über 350 Jahre ist das Bild aus Karlsruhe bereits alt. Und trotzdem beruhigt es mich noch immer. Und ich hoffe, euch auch. Danke für's Zuhören. Bis in zwei Wochen, wenn die nächste Folge Kunstsnack erscheint. Machts gut, Ciao.

Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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