Hater’s gonna hate: Selbstbildnis vor der Litfaßsäule von Georg Scholz | #39

Shownotes

In diesem Kunstsnack geht es um das "Selbstbildnis vor der Litfaßsäule" von Georg Scholz. Auch wenn der Titel das Bild schon gut beschreibt, steckt noch sehr viel mehr hinter dem Gemälde. Warum sich Georg Scholz hier selbst mit einem Auto im Hintergrund abbildete, worum es bei der Neuen Sachlichkeit ging und welches dunkle Kapitel der Künstler durchleben musste, verrät Euch Kunsthistoriker und Comedian Jakob Schwerdtfeger.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Georg-Scholz/Selbstbildnis-vor-der-Litfa%C3%9Fs%C3%A4ule/5F43043D41482AF1CF32B281E3D4ECB0/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

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Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheHater’s gonna hate: Selbstbildnis vor der Litfaßsäule von Georg Scholz

Heute geht’s um einen Künstler, der richtige Hater hatte. Ein Gegner nannte seine Kunst „geisteskrank“. Seine Bilder wurden aus Ausstellungen entfernt. Werke von ihm sorgten sogar für kleine Anfragen im Landtag. Wer ist dieser Maler, der so Welle gemacht hat? Sein Name ist Georg Scholz. Noch nie gehört? Ich auch nicht. Aber ich habe bei der Recherche für diesen Podcast gelernt: Wow, ist der spannend. Und was das Beste ist: Die Staatliche Kunsthalle besitzt sein bekanntestes Bild. Das heißt „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“ und ist aus dem Jahr 1926. Diese Kunst hat es definitiv in sich, so wie diese Folge Kunstsnack. Viel Spaß!

Heute geht’s um einen Künstler, der richtige Hater hatte. Ein Gegner nannte seine Kunst „geisteskrank“. Seine Bilder wurden aus Ausstellungen entfernt. Werke von ihm sorgten sogar für kleine Anfragen im Landtag. Wer ist dieser Maler, der so Welle gemacht hat? Sein Name ist Georg Scholz. Noch nie gehört? Ich auch nicht. Aber ich habe bei der Recherche für diesen Podcast gelernt: Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Ich gehe gleich auf das Werk dieser Folge ein, aber wenn ihr das Bild sehen wollt, dann schaut jetzt in die Shownotes: Da ist ein Link zur Abbildung.

Ich gehe gleich auf das Werk dieser Folge ein, aber wenn ihr das Bild sehen wollt, dann schaut jetzt in die Shownotes: Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Der Titel beschreibt das Bild eigentlich schon ganz gut: „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Und tatsächlich, wir sehen den Künstler Georg Scholz... vor 'ner Litfaßsäule. Der Blick des Künstlers fällt sofort auf. Er sieht aus, als hätte ihm ein Fotograf gesagt: „Mach mal die Augen richtig auf.“ Georg Scholz sieht aus wie dieser Emoji mit den aufgerissenen, erschrockenen Augen. Der Künstler guckt uns direkt aus dem Bild an. Insgesamt malt sich Scholz hier sehr gut gekleidet: Er trägt eine runde Hornrille, Melone auf dem Kopf, Hemd, Krawatte, Mantel. Er könnte locker als Geschäftsmann oder Detektiv durchgehen. Georg Scholz soll wohl viel Wert auf sein Aussehen gelegt haben – er ist hier echt on point gekleidet. Das Gegenteil von einem verlotterten Maler.

Hinter ihm ist eine bunt beklebte Litfaßsäule. Darauf werden Veranstaltungen beworben – unter anderem ein Tanzabend. Und man kann auch noch Teile eines Schriftzugs sehen: „Sei schön.“ Catchy Werbeslogan auf jeden Fall. Das ist aber noch nicht alles. Das Bild ist nämlich ein Querformat. Das Selbstbildnis und die Litfaßsäule sind nur die rechte Hälfte des Bildes. Auf der linken Seite ist eine Straße mit Tanksäule auf dem Bürgersteig. Und dahinter ist ein großes Schaufenster, auf dem „Meier“ und „Mercedes“ steht. In dem Schaufenster steht ein altertümliches Auto. So ein Gentleman-Bankräuber-Auto aus alten Filmen. Passt ja auch, denn hier wird eine Stadtszene der 1920er gemalt. Ihr erinnert euch, das Bild ist von 1926. Das Auto stand in der Zeit für technischen Fortschritt, Dynamik und Modernität.

Was mich irritiert: Die ganze Stadt ist menschenleer. Das erinnert mich so ein bisschen an die Anfangsszene von dem Film Vanilla Sky, wo Tom Cruise in New York aus dem Auto steigt und feststellt, da ist niemand auf der Straße. Die Straße ist super sauber. Alles wirkt merkwürdig clean. Dazu passt auch dieses theaterhafte Licht, das von links und rechts wie so Scheinwerfer in das Bild reinfällt. Alles ist sehr akkurat gemalt und wirkt vielleicht gerade dadurch auch ein bisschen wie eine Bühnenkulisse.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): „Der Maler Georg Scholz ist ein Einzelgänger, ein Individualist. Er weiß es und nimmt alle Sonderrechte des Individualisten für sich in Anspruch. Die Mitwelt neidet es ihm. Er jedoch beharrt auf seiner Berufung. Sicher hatte er nicht die Absicht dies in seinem Selbstbildnis demonstrativ zu zeigen; aber die Nachwelt wird es bemerken.“

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Der Epochen-Check

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Georg Scholz gehört zu der Kunstrichtung Neue Sachlichkeit. Die hatte ihre Hochzeit in der Weimarer Republik also von 1918 bis 33. Worum ging's? Die Neue Sachlichkeit war eine gesellschaftskritische Kunst. Die Kunstschaffenden wollten die Realität ungeschönt zeigen – also auch die Schattenseiten. Der erste Weltkrieg und die desaströsen Folgen wurden viel gemalt. Scholz war selbst mehrere Jahre im Ersten Weltkrieg an der Front und kehrte stark traumatisiert zurück. Außerdem wurde auch viel das Großstadtleben gemalt und zwar in all seinen Facetten.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Manche Vertreter*innen der Neuen Sachlichkeit gehen ihre Werke echt drastisch an. Zum Beispiel die Künstler Otto Dix und Karl Hubbuch. Den beiden haben wir übrigens auch schon Kunstsnackfolgen gewidmet – Nummer 21 und 27. In der Neuen Sachlichkeit wird der Clash aus Arm und Reich gemalt. Es geht um die Extreme der Gesellschaft, die Darstellungen sind oft drastisch. So wie heute Gangsterrap – der schildert ja auch das harte Leben auf der Straße schildert. Auch Georg Scholz malte drastische und provokante Bilder. Er wollte zum Beispiel Habgier und Doppelmoral kritisieren. Auf seinen früheren Bildern werden Gesichter oft zu Fratzen. Diese Werke sind wie eine Karikatur von gesellschaftlichen Missständen.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“ ist allerdings weniger auf die Zwölf. Das Bild aus Karlsruhe ist subtiler. Georg Scholz inszeniert sich hier als aufmerksamer Beobachter seiner Zeit. Seine Augen sind auf dem Bild ja definitiv weit genug geöffnet. Bei Scholz' Kunst schwingt immer eine gewisse Skepsis mit. Er thematisiert unter anderem die Vereinsamung der Menschen in einer modernen Welt. Ihm geht es um den Blick fürs Alltägliche. Dafür malt er alles gestochen scharf und punktgenau. Das ist typisch für die Malerei der Neuen Sachlichkeit ist. Da wird alles exakt deutlich gemalt ist – Vordergrund und Hintergrund. Nirgends ist Unschärfe. Alles steht im Fokus – passt ja gut zur Neuen Sachlichkeit.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Wer hätte das gedacht? Faszinierender Funfact

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Auf dem Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe ist ja eine Litfaßsäule gemalt. Aber wusstet ihr, woher die Litfaßsäule ihren Namen hat? Von ihrem Erfinder Ernst Litfaß. Der war Drucker und kam 1854 auf die Idee mehrere Werbeanzeigen gleichzeitig an einer Säule anzubringen. In den 1920ern hatte Plakatwerbung in Deutschland einen richtigen Boom – das schlägt sich auch in dem Bild aus Karlsruhe nieder. Scholz war auch eine Zeitlang als Reklamemaler tätig – da passt die Litfaßsäule natürlich perfekt in sein Selbstbildnis.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Kunsthotspot Karlsruhe

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Karlsruhe war für Georg Scholz ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Ab 1908 studierte er an der Karlsruher Kunstakademie. 1925 wird er dann dort Professor. Möglicherweise wollte er mit seinem Selbstbildnis seine Professoren-Stelle feiern. Klar, wer kennt es nicht. Painting statt Party.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Karlsruhe wird dann aber auch zu einem sehr dunklen Kapitel für Georg Scholz. 1933 kommen die Nazis an die Macht und Scholz wird als einer ersten direkt seines Amtes als Professor enthoben. Seine Kunst wird in Karlsruhe gezeigt, aber die wird da diffamiert und regelrecht niedergemacht. Und zwar schon vor 1937. Im Jahr 1937 gab es nämlich in München die große Ausstellung „Entartete Kunst“. Da wurden viele Werke von vielen Künstler*innen heftig verfemt. „Entartete Kunst“ ist ein Nazi-Begriff und damit war vereinfacht gesagt alles gemeint, was den Nazis nicht in den Kram passte. Im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmten die Nazis einige Werke von Georg Scholz aus deutschen Museen, auch aus der Kunsthalle Karlsruhe. Manche dieser Werke wurden sogar zerstört. Ich hatte euch ja schon erläutert, dass die Kunst von Georg Scholz durchaus gesellschaftskritisch war. Das mochten die Nazis natürlich gar nicht.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Scholz dann von den Alliierten als Bürgermeister eingesetzt – und zwar von dem Ort Waldkirch. Aber nur wenige Wochen später stirbt er, noch im Jahr 1945. Er hinterlässt ein sehr spannendes Gesamtwerk, unter anderem sein „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Damit sind am Ende dieser Folge. Ich hoffe, ihr konntet was mitnehmen und es hat euch gefallen. In zwei Wochen kommt der nächste Kunstsnack. Bis dann, Ciao.

Es gibt ein schönes Zitat über das „Selbstbildnis vor der Litfaßsäule“. Das stammt von Theodor Kiefer, der war Autor und ein Freund von Georg Scholz (ich zitiere): Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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