Maler oder Magier? Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen von Jean Siméon Chardin | #36

Shownotes

Maler oder Magier? Dieser Kunstsnack handelt von Jean Siméon Chardin und seinem Gemälde "Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen". Auf den ersten Blick mag das Bild zwar sehr unspektakulär wirken, aber Kunsthistoriker und Comedian Jakob Schwerdtfeger verrät Euch, was es so besonders macht und warum der Künstler auch mit einem Zauberer verglichen wird. Außerdem geht um Chardins Malstil, Upcycling, Detektivarbeit und Macarons.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Jean-Sim%C3%A9on-Chardin/Stillleben-mit-Zinnkrug-und-Pfirsichen/F3C91D584C35B2EC10A931BDA2BF4912/

Bleibt mit uns im Austausch, diskutiert mit der Community, sagt uns, was Ihr als Nächstes hören, oder was Ihr schon immer mal aus der Welt der Kunst wissen wollt.
Instagram: https://www.instagram.com/kunsthalle_ka/
Twitter: https://twitter.com/Kunsthalle_Ka
Per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de

Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle KarlsruheMaler oder Magier? Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen von Jean Siméon Chardin

Herrlich: Auf diese Podcastfolge freue ich mich ganz besonders, denn heute geht's einfach um einen meiner absoluten Lieblingskünstler: Jean Siméon Chardin. Wenn ich vor Werken von ihm stehe, bin ich wirklich ergriffen. Wie dieser Künstler mit Farbe umgeht, ist unfassbar. Genau wie ich war auch der französische Schriftsteller Denis Diderot großer Fan und meinte: Chardin wäre ein Zauberer, seine Bilder seien mit Magie gleichzusetzen. Aber jetzt erst mal genug der großen Worte. Schauen wir uns das Chardin-Werk aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mal näher an. Es geht um das „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“, das um 1728 entstanden ist. Viel Spaß mit Chardin – denn den werdet ihr haben.

Herrlich: Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Herrlich: Ihr wollt das Bild dieser Folge sehen? Kein Problem! In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung. Und wenn ihr keine Lust habt nachzuschauen und einfach nur entspannt zuhören wollt – gerne. Ich gehe jetzt ausführlicher auf das Bild ein und beschreibe es euch.

Herrlich: Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Das Motiv, mit dem wir es hier zu tun haben, ist auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär. Das Gemälde trägt den Titel „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“. Ganz kurz: Was sind Stillleben? Das sind Bilder von leblosen Gegenständen, kann aber auch Pflanzen, Obst etc. umfassen. Also bei Stillleben liegt die Betonung mehr auf „still“ als auf „leben“.

Das Motiv, mit dem wir es hier zu tun haben, ist auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär. Das Gemälde trägt den Titel „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“. Ganz kurz: Ok, was sehen wir auf dem Gemälde von Chardin? Im Zentrum des Bildes ist ein Holzkorb mit ein paar aufgestapelten Pfirsichen. Die Früchte sind in richtig satten Farben gemalt. Wenn die Früchte in diesem Reifegrad und in diesem Zustand im Supermarkt liegen würden – die würde ich sofort mitnehmen. Links daneben sind zwei Pflaumen und am linken Bildrand liegt eine offene und eine geschlossene Walnuss, plus noch ein Pfirsich. Die Anordnung aus Nüssen und Früchten wirkt, als hätten zwei Großeltern das arrangiert, damit die Enkel mal was Gesünderes essen.

Das Motiv, mit dem wir es hier zu tun haben, ist auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär. Das Gemälde trägt den Titel „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“. Ganz kurz: Außerdem ist auf dem Bild aus Karlsruhe noch ein silbern glänzender Krug aus Zinn, in dem sich die Pfirsiche spiegeln. Der Krug ist geöffnet und am Deckel verziert. Das gesamte Stillleben befindet sich auf einem steinernen Sims. Und der Hintergrund des Gemäldes ist richtig... langweilig. Das ist ganz bewusst so gewählt. Der Hintergrund ist einfach braun, so ein verwaschenes, belangloses Braun. Aber genau dadurch wirkt das Stillleben viel intensiver. Das Licht auf den Pfirsichen und dem Zinnkrug hebt sich vor einem dunklen Hintergrund viel besser ab, alles wirkt noch plastischer und greifbarer.

Das Motiv, mit dem wir es hier zu tun haben, ist auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär. Das Gemälde trägt den Titel „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“. Ganz kurz: Chardin ist ein Meister der Lichtführung. Allein durch Licht und Schatten und verschiedene Stadien an Helligkeit lenkt er unseren Blick. So werden die gestapelten Pfirsiche und der Krug das Zentrum des Bildes. Hier ist nichts zufällig angeordnet. Chardin hat alle Bestandteile des Bildes wohl überlegt so verteilt, dass sie ein stimmiges Ganzes ergeben, eine ausgewogene Komposition. Und das ist hier definitiv der Fall. Genau deshalb strahlt dieses Stillleben für mich so eine enorme Ruhe aus. Ein Merkmal, das für mich die Faszination für Chardin ausmacht. Aber da ist noch mehr...

Das Motiv, mit dem wir es hier zu tun haben, ist auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär. Das Gemälde trägt den Titel „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“. Ganz kurz: Was macht das Werk so besonders?

Ganz klar: Die Malweise! Das macht das Stillleben von Chardin in meinen Augen so besonders. Dieser Künstler hat einen ganz eigenen Stil, den man immer wieder erkennt. Im 18. Jahrhundert haben viele Leute Stillleben gemalt, aber Chardin sticht heraus. Seine Malweise wirkt als hätte er Malkreiden benutzt, dabei ist es Öl auf Leinwand. Die Farbe hat etwas trockenes, poröses und seine Bilder haben irgendwie immer eine sehr samtene Struktur. Diese Malweise passt natürlich perfekt zu der samtenen Haut der Pfirsiche und auch zu der Oberfläche der Pflaumen. Ein malerischer Match par exellance!

Ich hatte ja schon den Literaten Denis Diderot zitiert und der meinte passenderweise über Chardins Stil: „Es heißt, er habe eine ihm allein eigene Technik und gebrauche ebenso oft seinen Daumen wie seinen Pinsel.“ Die künstlerische Qualität von Chardin sticht sofort ins Auge. Einzelne Pinselstriche sind auf dem Stillleben aus der Kunsthalle Karlsruhe noch erkennbar und jeder davon ist mit spielerischer Leichtigkeit und gleichzeitig akkurater Präzision gesetzt. Und obwohl alles nur Farben auf Leinwand sind – wirken die Früchte in ihrer Beschaffenheit viel weicher als das Metall des Kruges, der viel härter erscheint.

Chardin benutzte hier durchscheinende, flüssige Farben, die er in mehreren Schichten auftrug. Dabei verwendete er auch Farben die unterschiedlich schnell trocknen – also eine sehr ausgeklügelte Vorgehensweise. Wenn man den Titel „„Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“ hört, hat man jetzt nicht unbedingt hohe Erwartungen. Aber genau das macht Chardin so stark, dass er aus dem Unspektakulären etwas Großartiges macht. Der berühmte Autor Marcel Proust konnte das noch besser auf den Punkt bringen, denn er schrieb bei Chardin von einer „Aufwertung des Einfachen“. Klingt nach Upcycling – aber beschreibt Chardins Kunst und seinen Malstil sehr treffend. Proust meinte auch: „Von Chardin haben wir gelernt, dass eine Birne so lebendig wie eine Frau, dass ein gewöhnlicher Tonkrug so schön ist wie ein Edelstein.“ Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Chardin benutzte hier durchscheinende, flüssige Farben, die er in mehreren Schichten auftrug. Dabei verwendete er auch Farben die unterschiedlich schnell trocknen – also eine sehr ausgeklügelte Vorgehensweise. Wenn man den Titel „„Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“ hört, hat man jetzt nicht unbedingt hohe Erwartungen. Aber genau das macht Chardin so stark, dass er aus dem Unspektakulären etwas Großartiges macht. Der berühmte Autor Marcel Proust konnte das noch besser auf den Punkt bringen, denn er schrieb bei Chardin von einer „Aufwertung des Einfachen“. Klingt nach Upcycling – aber beschreibt Chardins Kunst und seinen Malstil sehr treffend. Proust meinte auch: Von wann ist das Werk? Historischer Hintergrund

Chardin benutzte hier durchscheinende, flüssige Farben, die er in mehreren Schichten auftrug. Dabei verwendete er auch Farben die unterschiedlich schnell trocknen – also eine sehr ausgeklügelte Vorgehensweise. Wenn man den Titel „„Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“ hört, hat man jetzt nicht unbedingt hohe Erwartungen. Aber genau das macht Chardin so stark, dass er aus dem Unspektakulären etwas Großartiges macht. Der berühmte Autor Marcel Proust konnte das noch besser auf den Punkt bringen, denn er schrieb bei Chardin von einer „Aufwertung des Einfachen“. Klingt nach Upcycling – aber beschreibt Chardins Kunst und seinen Malstil sehr treffend. Proust meinte auch: Das Stillleben aus der Kunsthalle Karlsruhe zählt zu Chardins Frühwerk – es entstand um 1728. Geboren wurde der Künstler 1699 in Paris, er war also um die 30 Jahre alt, als er das Bild malte. 1728 wurde Chardin in die königliche Akademie der Malerei und Skulptur aufgenommen. Dort wurde er betitelt als „Maler von Tieren, von Küchengeschirr und von verschiedenen Gemüseschalen.“ Wow, da könnte man ja gleich sagen „Maler von Kleinkram und Gedöns“. Dieser Titel klingt echt nicht sehr beeindruckend, aber das passt zur damaligen Haltung. Stillleben waren in der Akademie nicht sehr hoch angesehen, ansonsten aber schon. Sie wurden zu stattlichen Preisen und außerdem von prominenten Kritiker*innen gepriesen. Es gab verschiedene Bild-Gattungen damals – z.B. Porträts oder Historienbilder – also Gemälde von Schlachten, Mythen und so weiter. In dieser Gattungshierarchie waren die Stillleben ganz unten angesiedelt. Ungefähr so wie unter den Sportarten Curling. Das hat jetzt auch nicht unbedingt den höchsten Stellenwert, auch wenn ich Curling sehr mag. Es gibt kaum etwas Beruhigenderes im Fernsehen – außer vielleicht die Malsessions von Bob Ross.

Aber zurück zum Stillleben: Durch den niedrigen Status blieben Chardin gewisse Positionen in der Akademie untersagt. Er konnte zum Beispiel nicht Professor oder Direktor werden. Trotzdem beeindruckte Chardin wichtige Persönlichkeiten der damaligen Zeit – darunter Madame de Pompadour und Friedrich der Große.

Die Frage „Von wann ist das Werk?“ ist übrigens gar nicht so leicht zu beantworten. Lange dachte man das „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“ stamme aus der Zeit um 1760 und demnach eher aus Chardins Spätwerk. Erst Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Bild umdatiert auf um 1728. Wie kam es dazu? Hat das einfach irgendjemand beschlossen und ein neues Entstehungsjahr gewürfelt? Nein, da wurde natürlich gewissenhaft geforscht und man fand heraus: Der Zinnkrug wurde von Chardin nur in den 1720er Jahren gemalt und später nicht mehr. Auf dem Deckel ist eine Gravur, die vermutlich das Familienwappen von Chardin zeigt. Der Krug befand damals sich in Familienbesitz und das passt, denn Chardin verwendete in der Regel Gegenstände aus seinem direkten Umfeld. Das passiert übrigens immer mal wieder, dass Kunstwerke umdatiert werden. Es gibt heutzutage viele neue Forschungsmethoden, zum Beispiel Röntgenanalysen, Farbanalysen und so weiter. Dazu kann man noch zig Dokumente wie Kaufbelege, Tagebücher, ach alles Mögliche durchstöbern – richtige Detektiv-Arbeit. Tja, und manchmal wird man eben fündig und die neuen Ergebnisse fließen dann in die Wissenschaft ein.

Die Frage „Von wann ist das Werk?“ ist übrigens gar nicht so leicht zu beantworten. Lange dachte man das „Stillleben mit Zinnkrug und Pfirsichen“ stamme aus der Zeit um 1760 und demnach eher aus Chardins Spätwerk. Erst Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Bild umdatiert auf um 1728. Wie kam es dazu? Hat das einfach irgendjemand beschlossen und ein neues Entstehungsjahr gewürfelt? Nein, da wurde natürlich gewissenhaft geforscht und man fand heraus: Worum geht’s hier eigentlich? Die Message

Die Botschaft fast aller Stillleben ist: Vanitas – die Vergänglichkeit. Stillleben sollten zeigen: Wir alle müssen irgendwann den Löffel abgeben. Egal, wie reif das Obst auf dem Bild ist, egal wie üppig die Blumen blühen – alles ist im Vergehen und wir können nichts mit rüber nehmen. In dem Stillleben von Chardin ging es aber weniger um Vanitas, sondern vielmehr darum, die eigenen künstlerischen Skills zu zeigen. Der Künstler wollte malerische Qualität beweisen und ansprechende Gemälde malen. Und es geht eben auch viel um die richtige Anordnung von Essen. Wenn man sich Stillleben heutzutage anschaut, denkt man schnell an Social Media. Auf Instagram gibt es ja hunderttausende Fotos und Videos von Essen. Und ganz ehrlich: genau das ist mein guilty pleasure. Ich mag einfach die Ästhetik, wie das angerichtet wird. Ich mag auch Videos in denen Cheeseburger noch mal mit Käse überkippt werden, weil da so dämlich übertrieben ist. Mit dieser Faszination für Food Porn bin ja aber nicht alleine, das ist ein riesiges Phänomen.

Und bei Chardin ist es mit den Pfirsichen und Pflaumen eher Fruit Porn, aber es geht ja um ein ähnliches Thema wie heute: Essen so arrangieren und anrichten, dass es richtig gut aussieht. Auf Social Media werden Steaks oder Macarons teilweise so präsentiert wie das neue iPhone. Ich habe in Berlin mal eine Bäckerei gesehen, die ihr Brot auf einen Sockel gestellt haben wie eine Skulptur – inklusive Glashaube. Für ein Brot! Das war komplett albern, aber irgendwie auch ein starkes Statement. Da fehlte nur noch ein kleines Erklärschild daneben und das Brot wäre locker als Kunstwerk durchgegangen.

Ihr merkt: Jean Siméon Chardin ist mit seinem Stillleben auch heute noch aktuell! Und ich freue mich einfach, dass ich euch von diesem tollen Künstler erzählen durfte. Ich hoffe, euch hat die Folge gefallen, abonniert gerne diesen Podcast und wir hören uns in zwei Wochen wieder mit dem nächsten Werk aus der Kunsthalle Karlsruhe. Bis dann, Ciao.

Ihr merkt: Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.