Absturz-Party vom Feinsten: Prosit Neujahr von Max Beckmann | #31

Shownotes

Zwischen Exzess und Verzweiflung: Dieser Kunstsnack dreht sich um die Kaltnadelradierung „Prosit Neujahr“ von Max Beckmann. Warum das Werk weniger schön, dafür aber besonders ausdrucksstark ist und warum bei dieser Silvesterparty niemand Spaß zu haben scheint, erfahrt Ihr in dieser Episode. Jakob Schwerdtfeger erklärt außerdem, was eine Kaltnadelradierung ist und warum Kunst kein Ponyhof ist.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Max-Beckmann/Prosit-Neujahr/02A5C9C84FED0662A7656AA35589CB1F/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Sprecherin der Rubriken: Lena Günther, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Absturz-Party vom Feinsten: Prosit Neujahr von Max Beckmann“

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Absturz-Party vom Feinsten: Dieses Kunstwerk ist nicht im klassischen Sinne schön und das soll es wohl auch gar nicht sein. Aber dafür ist es enorm intensiv und richtig ausdrucksstark. Diese Folge handelt von dem Künstler Max Beckmann und wie er mit seinem Blatt aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe voll auf die 12 geht. „Prosit Neujahr“ heißt das Werk und stammt aus dem Jahr 1917. Kunst ist kein Ponyhof und diese Folge Kunstsnack liefert den Beweis. Viel Spaß!

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Absturz-Party vom Feinsten: Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Absturz-Party vom Feinsten: Ihr wollt das Kunstwerk sehen, um das es jetzt geht? Dann schaut gerne in die Shownotes dieses Podcasts, dort ist ein Link zur Abbildung. Aber ich erzähle euch jetzt auch, was es alles zu sehen gibt. Ihr könnt also auch einfach eure Augen schließen und genießen.

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Absturz-Party vom Feinsten: Was gibt‘s hier zu sehen? Bildliche Beschreibung

Zuerst ein paar Worte zur künstlerischen Technik: Wir haben es hier mit einem Kunstwerk auf Papier zu tun. Das Ganze ist eine sogenannte Kaltnadelradierung. Das läuft so ab: Man nimmt eine Nadel aus besonders hartem Metall und dann ritzt man das Motiv in eine Druckplatte aus weicherem Metall. So zeichnet man also mit Metall und recht viel Kraftaufwand. Anschließend färbt man die eingeritzte Platte ein und wischt alles ab. So bleibt die Farbe nur in den vertieften Einritzungen zurück. In einer Tiefdruckpresse wird die Platte dann auf ein angefeuchtetes Papier gedruckt. Zack, Kaltnadelradierung.

Die Grafik aus der Kunsthalle Karlsruhe ist in schwarz-weiß gehalten, aber das macht sie weiß Gott nicht langweilig. Das Blatt zeigt eine Absturz-Party vom Feinsten. Der Titel „Prosit Neujahr“ macht klar: Wir haben es mit einer Silvester-Feier zu tun und die ist gerade dabei ordentlich aus dem Ruder zu laufen. Dargestellt sind 6 Figuren auf engem Raum. Es wirkt als wären alle in einem kleinen Raum zusammengepfercht – erinnert natürlich an die berühmten Küchentreffen auf WG-Partys. 4 der Dargestellten pusten in lange Tröten, die ein bisschen aussehen wie diese Vuvuzelas von der WM 2010 in Südafrika. Das Blatt von Max Beckmann strahlt einen ohrenbetäubenden Lärm aus. Die Nachbarn müssten sich jeden Moment beschweren bei dem Getröte. Da könnte man zu Silvester auch gleich Böller in der Bude zünden.

Der Künstler zeigt sich hier selbst inmitten seiner Freundinnen und Freunde. Unter anderem ist das Ehepaar Battenberg dabei. Dazu ein pikantes Detail: Mit diesem Ehepaar hatte der Künstler Max Beckmann wohl eine Dreiecksbeziehung. Als Gossip-Fan finde ich das natürlich super. Alle Beteiligten dieser Silvesterparty sehen auf dem Werk nicht gerade vorteilhaft aus. Die Gesichter sind eher verzerrte Fratzen und groteske Grimassen. Einige haben die Augen weit aufgerissen, einer trägt sogar eine Augenklappe. Niemand von den Leuten, die auf dem Werk drauf sind, würde die Darstellung als Profilbild für eine Datingplattform nutzen. Der Stil des Werkes unterstreicht die heftige Wirkung noch mal zusätzlich. Die Schraffuren sind sehr bestimmt und stark gesetzt, die Linienführung ist sehr ausdrucksstark und dynamisch. Die gezeichnete Gesellschaft wirkt dadurch noch wilder und chaotischer.

Der Künstler zeigt sich hier selbst inmitten seiner Freundinnen und Freunde. Unter anderem ist das Ehepaar Battenberg dabei. Dazu ein pikantes Detail: Der Blick fürs Detail

Der Künstler zeigt sich hier selbst inmitten seiner Freundinnen und Freunde. Unter anderem ist das Ehepaar Battenberg dabei. Dazu ein pikantes Detail: Eine Person auf „Prosit Neujahr“ fällt besonders auf. Oben links ist ein Mann mit Schiebermütze dargestellt, der heftig in eine Tröte bläst und dabei die Betrachter*innen direkt anschaut. Wobei uns eigentlich nur ein Auge anschaut, das andere guckt wie ein Chamäleon in eine ganz andere Richtung. Es ist gut möglich, dass es sich hier um ein Selbstporträt von Max Beckmann handelt. Der machte viele Selbstbildnisse von sich und teilweise sind die ziemlich gnadenlos. Der Künstler ging in der Kunst des Öfteren hart mit sich selbst ins Gericht.

Max Beckmann ging es in seiner Kunst viel um Selbsterkenntnis. Dafür studierte er sich viel selbst. Schon mit 15 Jahren hat er damit angefangen und zeichnete sich selbst in ein Skizzenbuch. Selbstporträts ziehen sich durch das gesamte Schaffen von Beckmann, manchmal versteckt er sich in Werken, manchmal taucht er auch verkleidet auf. Zum Thema Selbstporträt und Selbsterkenntnis sagte Beckmann (ich zitiere): „Da wir immer noch nicht genau wissen, was nun eigentlich dieses „Ich“ … ist, muss alles getan werden, um das „Ich“ immer gründlicher und tiefer zu erkennen. – Denn das „Ich“ ist das größte und verschleiertstes Geheimnis der Welt“.

Max Beckmann ging es in seiner Kunst viel um Selbsterkenntnis. Dafür studierte er sich viel selbst. Schon mit 15 Jahren hat er damit angefangen und zeichnete sich selbst in ein Skizzenbuch. Selbstporträts ziehen sich durch das gesamte Schaffen von Beckmann, manchmal versteckt er sich in Werken, manchmal taucht er auch verkleidet auf. Zum Thema Selbstporträt und Selbsterkenntnis sagte Beckmann (ich zitiere): Von wann ist das Werk? Historischer Hintergrund

Max Beckmann ging es in seiner Kunst viel um Selbsterkenntnis. Dafür studierte er sich viel selbst. Schon mit 15 Jahren hat er damit angefangen und zeichnete sich selbst in ein Skizzenbuch. Selbstporträts ziehen sich durch das gesamte Schaffen von Beckmann, manchmal versteckt er sich in Werken, manchmal taucht er auch verkleidet auf. Zum Thema Selbstporträt und Selbsterkenntnis sagte Beckmann (ich zitiere): Das Blatt aus der Kunsthalle Karlsruhe entstand im Jahr 1917, also mitten in der Zeit vom Ersten Weltkrieg. Max Beckmann hatte sich 1914 freiwillig zum Sanitätsdienst gemeldet, direkt zu Kriegsbeginn. An der Front erlebte er unfassbares Grauen, schreckliches Leid und das brutale Töten und Sterben. Schließlich erlitt der Künstler einen Nervenzusammenbruch und war danach kriegsuntauglich.

Max Beckmann ging es in seiner Kunst viel um Selbsterkenntnis. Dafür studierte er sich viel selbst. Schon mit 15 Jahren hat er damit angefangen und zeichnete sich selbst in ein Skizzenbuch. Selbstporträts ziehen sich durch das gesamte Schaffen von Beckmann, manchmal versteckt er sich in Werken, manchmal taucht er auch verkleidet auf. Zum Thema Selbstporträt und Selbsterkenntnis sagte Beckmann (ich zitiere): Auch in dem Werk „Prosit Neujahr“ schlägt sich der Krieg nieder. An der einen Mütze kann man einen Major erkennen – es ist der Major von Braunbehrens, der ebenfalls ein Freund Beckmanns war. Und der schon erwähnte Mann mit der Augenklappe ist der Soldat Ernst Guthmann. Max Beckmann zeigt ihn als Kriegsversehrten, der sein Auge verloren hat. Der Soldat wird hier nicht heldenhaft inszeniert, sondern als Opfer des Krieges.

Das Kunstwerk „Prosit Neujahr“ entstand also inmitten des Ersten Weltkrieges. Zwar nicht an der Front, sondern in Frankfurt – Beckmanns damaliger Heimat. Aber dennoch bekommt die Feier dadurch etwas sehr Trotziges, als würde man dem Krieg etwas entgegensetzen wollen. Gleichzeitig scheint die Ausgelassenheit auch etwas deplatziert. Alles wirkt irgendwie ein bisschen drüber, als könnte die Stimmung auch jeden Moment kippen. Wenn man genau hinschaut, merkt man: Jede Person auf Beckmanns Werk macht eigentlich ihr eigenes Ding. Es gibt keine wirkliche Interaktion, keinen Blickkontakt untereinander. Alle versuchen angestrengt Spaß zu haben, aber bleiben dabei für sich allein. Womöglich möchte man hier den Krieg verdrängen und trotzdem bleibt die Katastrophe allgegenwärtig. „Prosit Neujahr“ bewegt sich irgendwo zwischen Exzess und Verzweiflung.

Das Kunstwerk „Prosit Neujahr“ entstand also inmitten des Ersten Weltkrieges. Zwar nicht an der Front, sondern in Frankfurt – Beckmanns damaliger Heimat. Aber dennoch bekommt die Feier dadurch etwas sehr Trotziges, als würde man dem Krieg etwas entgegensetzen wollen. Gleichzeitig scheint die Ausgelassenheit auch etwas deplatziert. Alles wirkt irgendwie ein bisschen drüber, als könnte die Stimmung auch jeden Moment kippen. Wenn man genau hinschaut, merkt man: Was macht das Werk so besonders?

In dem Blatt aus der Kunsthalle Karlsruhe kündigt sich bereits der Stil an, für den Max Beckmann später sehr bekannt wird. Vor dem Ersten Weltkrieg war seine Strichführung eher weich und geschmeidig. Auf „Prosit Neujahr“ sieht man, dass der Strich schon viel bestimmter und kantiger ist. Nach dem Ersten Weltkrieg findet Beckmann dann zu seinem Signature-Style: Dicke schwarze Konturen, einfache, grobe Formen, heftiger Ausdruck.

In dem Blatt aus der Kunsthalle Karlsruhe kündigt sich bereits der Stil an, für den Max Beckmann später sehr bekannt wird. Vor dem Ersten Weltkrieg war seine Strichführung eher weich und geschmeidig. Auf „Prosit Neujahr“ sieht man, dass der Strich schon viel bestimmter und kantiger ist. Nach dem Ersten Weltkrieg findet Beckmann dann zu seinem Signature-Style: „Prosit Neujahr“ gehört zu einer Grafikmappe von Max Beckmann mit dem Titel „Gesichter“. Da drin waren 19 Kaltnadelradierungen, die in den Jahren 1914 bis 1918 entstanden. Von Landschaften bis hin zu Familien- und Gesellschaftsbildern ist alles dabei. Immer wieder geht dabei auch um den Ersten Weltkrieg und die Spuren, die dieses Ereignis hinterließ.

In dem Blatt aus der Kunsthalle Karlsruhe kündigt sich bereits der Stil an, für den Max Beckmann später sehr bekannt wird. Vor dem Ersten Weltkrieg war seine Strichführung eher weich und geschmeidig. Auf „Prosit Neujahr“ sieht man, dass der Strich schon viel bestimmter und kantiger ist. Nach dem Ersten Weltkrieg findet Beckmann dann zu seinem Signature-Style: Das Blatt aus Karlsruhe zeigt genau das sehr eindrücklich, jedoch ohne uns die Botschaft zu stark auf die Nase zu drücken. Ein subtiles, starkes Zeitzeugnis. Wenn ihr mehr über die Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe erfahren möchtet, hört gerne auch die anderen Folgen von Kunstsnack. Danke, dass ihr dabei wart. Bis in zwei Wochen, Ciao.

In dem Blatt aus der Kunsthalle Karlsruhe kündigt sich bereits der Stil an, für den Max Beckmann später sehr bekannt wird. Vor dem Ersten Weltkrieg war seine Strichführung eher weich und geschmeidig. Auf „Prosit Neujahr“ sieht man, dass der Strich schon viel bestimmter und kantiger ist. Nach dem Ersten Weltkrieg findet Beckmann dann zu seinem Signature-Style: Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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