Zwischen Skandal und Schönheit: Kinderbildnis von Édouard Manet | #23

Shownotes

Dieser Kunstsnack handelt von Édouard Manet - ein Skandalkünstler und Vorreiter der Modernen Kunst! Jakob Schwerdtfeger widmet sich dem Gemälde "Kinderbildnis" und erklärt, warum Manet damit zwar total im Trend lag, aber gleichzeitig provozierte. Außerdem erfahrt Ihr, was das bräunlich gehaltene Bild so spannend macht und was Interrail, Süßigkeiten und die BRAVO damit zu tun haben.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Edouard-Manet/Kinderbildnis/E0415A434DBF292AF0AE7BB26D197C3E/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Zwischen Skandal und Schönheit – Kinderbildnis von Édouard Manet“

Es ist eine der nervigsten Begebenheiten der Kunstgeschichte: Manet und Monet – warum heißen diese beiden Künstler so ähnlich? Dann haben die auch noch in der gleichen Zeit gelebt und auch noch ähnlich gemalt. Manet und Monet... Was ist der Unterschied? Das ist, als hätte man sich das nur ausgedacht, um Schulklassen im Kunstunterricht zu stressen. Aber wir bringen heute ein bisschen Licht ins Dunkel und schauen uns einen der beiden mal näher an, und zwar: Édouard Manet. Der war ein absoluter Skandalkünstler, eines seiner Bilder löste sogar Lachanfälle und blanken Hass aus. Er war ein Vorreiter der modernen Kunst, die Speerspitze der Innovation, quasi der Daniel Düsentrieb der Kunst. Und wie könnte es anders sein: Natürlich hat die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ein richtig schönes Manet-Werk in ihrer Sammlung und das nehmen wir uns jetzt mal vor. Viel Spaß!

Es ist eine der nervigsten Begebenheiten der Kunstgeschichte: Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab:

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Ich kann euch das Bild nicht zeigen

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Muss es euch lediglich beschreiben

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Also, wollt ihr das Gemälde seh'n

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Müsst ihr auf die Shownotes geh'n

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Dort befindet sich ein Link

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Dieser bringt euch ganz geschwind

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Zur Abbildung von Édouard Manet

Zu Beginn ein kleines Gedicht, das ich eigens für euch verfasst hab: Schaut's an und dann ist's okay

Ich hoffe, die Message ist angekommen – in den Shownotes ist ein Link zur Abbildung. So, ganz unpoetisch. Aber natürlich beschreibe ich euch das Bild jetzt erst mal. Kurz ein paar Eckdaten: Das Werk aus der Kunsthalle Karlsruhe trägt den Titel „Kinderbildnis“ und stammt aus dem Jahr 1862. Wir befinden uns also in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das nur zur zeitlichen Einordnung. Was hat Manet hier gemalt? Einen kleinen Jungen, wohl 5 Jahre alt, und zwar lebensgroß, wie der Starschnitt früher in der „Bravo“. Das Bild ist 115 cm hoch und 72cm breit. Alles um den Jungen herum ist braun. Es ist einer der unspektakulärsten Bildhintergründe ever. Das Kind könnte auch in einer gut ausgeleuchteten Erdhöhle von einem Maulwurf stehen. Aber dadurch lenkt nichts von dem kleinen Jungen ab, er ist das unbestrittene Zentrum des Bildes.

Ich hoffe, die Message ist angekommen – in den Shownotes ist ein Link zur Abbildung. So, ganz unpoetisch. Aber natürlich beschreibe ich euch das Bild jetzt erst mal. Kurz ein paar Eckdaten: Breitbeinig steht er da, guckt uns recht neutral an und trägt ein Kinderkostüm im spanischen Stil. Kurze braune Hose, braune Jacke, ey das Bild ist echt übertrieben braun. Und trotzdem ist es keine langweilige braune Sumpf-Kunst. Einen hellen Akzent setzt zum Beispiel der weiße Kragen des Jungen. So ein Kinder-Outfit war zu der Zeit in Frankreich übrigens modern und Manet war ja Franzose. Ein anderer Farbakzent ist das rote Zaumzeug, das der Junge in der Hand hält. Das Rot sticht so sehr hervor, als wäre er ein kleiner Torero mit einem roten Tuch. Außerdem trägt er eine kleine Reitgerte – beide passen zu einem Steckenpferd, aber das sehen wir nicht auf dem Gemälde.

Wie macht Manet aus diesem ganzen Braun ein spannendes Bild? Die Antwort ist: mit Licht. Auf dem Gesicht des Jungen liegt eine Art Spotlight – er wird direkt von vorne beschienen. Der dunkle Hut auf seinem Kopf, betont das Licht im Gesicht umso mehr. Um den Kopf herum wird auch der Hintergrund heller. Hier ist der Eye-Catcher, hier sollen wir hingucken, hier spielt die Musik. Und direkt wirkt das Bild interessant, das Gesicht leuchtet, der Junge scheint mit uns in Kontakt zu treten und gleichzeitig irgendwie durch uns durch zu gucken. Vielleicht denkt er darüber nach, in was für Süßigkeiten er sein Taschengeld investieren soll.

Wie macht Manet aus diesem ganzen Braun ein spannendes Bild? Die Antwort ist: In der Kunst war es damals sehr ungewöhnlich den Lichtschein direkt auf das Gesicht zu richten, die Helligkeit kam sonst eher von oben. Da war Manet seiner Zeit wohl Lichtjahre voraus. Ok, das Wortspiel klang in meinem Kopf irgendwie besser. Naja... Das „Kinderbildnis“ zählt zu Manets Frühwerk. In dieser Zeit zeigt sich noch deutlich der Einfluss der Alten Meister auf sein Schaffen. Vor allem der spanische Maler Diego Velázquez, der im 17. Jahrhundert lebte, war ein Vorbild. Von ihm lernte Manet dramatische Lichtführung und wie man aus einer Farbe mit verschiedenen Schattierungen das Maximum rausholt. Bei dem Kinderbildnis ist es offensichtlich braun. Velázquez beherrschte es sehr gut mit einer reduzierten Farbpalette zu arbeiten. Außerdem nutzte er dunkle Hintergründe, um Figuren bestmöglich zu inszenieren. Dieser Einfluss findet sich in dem Kinderbildnis aus Karlsruhe ebenfalls wieder.

Wie macht Manet aus diesem ganzen Braun ein spannendes Bild? Die Antwort ist: Manet kopierte die Alten Meister viel und schaute sich die künstlerischen Kniffe ab. Er reiste sogar mal für eine Woche nach Spanien, um in Madrid Velázquez im Original zu sehen. Allein seine Anreise per Zug dauerte über 40 Stunden. Alle, die mal Interrail gemacht haben, werden dieses immense Commitment nachvollziehen können. Spanien lag damals bei Kunstschaffenden voll im Trend – Manet orientiert sich an einem spanischen Maler, die Klamotten des kleinen Jungen sind spanisch. Ihr merkt, worauf ich hinauswill. Spanien war das Ding damals.

Auf dem Manet-Gemälde aus der Kunsthalle Karlsruhe ist eine Aufschrift: „Madame Lange“ steht da - vielleicht ist damit die Mutter des dargestellten Jungen gemeint. Der Name taucht auch in einem Fotoalbum von Manet auf. Offenbar hatte die Familie Lange das Porträt in Auftrag gegeben und über mehrere Generationen besessen. Wer das aber genau war? Unklar. Ist für das Verständnis des Bildes auch nicht so wichtig. Viel entscheidender ist, wie das Gemälde gemalt ist. Also die Pinselführung, oder auch der Duktus – die Kunstgeschichte liebt es nämlich Wörter zu benutzen, die kein Mensch kennt und die Sachen unnötig kompliziert machen. Da ist Duktus natürlich ein super Wort.

Auf dem Manet-Gemälde aus der Kunsthalle Karlsruhe ist eine Aufschrift: Manets Malweise ist erstaunlich grob. Hier wird nicht versucht die einzelnen Pinselstriche zu kaschieren und alles zu glätten. Nein, die Pinselstriche sind breit und gut sichtbar. Der Hintergrund kriegt dadurch eine ziemliche Dynamik, weil der Farbauftrag so bewegt ist. Nur für das Gesicht des Jungen wählte Manet eine feinere Malweise, sodass der Kopf besonders plastisch wirkt. Der Rest des Gemäldes macht eher den Eindruck einer Skizze und das entsprach so gar nicht dem damaligen Geschmack. Es stellte sogar eine echte Provokation dar.

Und mit Provokation kannte sich Manet echt aus. Manet ist mit seiner Malerei nämlich häufig angeeckt. Vor allem 1863, also ein Jahr nachdem das Kinderbildnis entstand. Da malte Manet seine berühmte „Olympia“. Das Werk zeigt eine nackte Frau – uns zwar ohne mythologische Rahmenhandlung. Bisher galt in der Kunst: Nackte Frauen gehen klar, aber sie müssen in irgendeine religiöse oder mythologische Story eingebunden sein. Ohne Geschichte, keine Geschlechtsteile – so einfach. Manet bricht diese Regel auf und malt mit Olympia eine komplett nackte Frau, die selbstbewusst aus dem Bild herausschaut. Erschwerend hinzu kam: Es handelte sich bei der Dargestellten um eine Prostituierte. Ein Sittenbruch sondergleichen. Als das Bild ausgestellt wurde, kam es zu Tumulten. Leute bekamen angeblich Lachanfälle oder wurden richtig wütend. Eine Kunstkritik lautete: „Wir müssen nicht wiederholen, dass dieses Gemälde grässlich ist, hässlich wie der Teufel.“ Das ist mal eine deutliche Kunstkritik! Um Manets Bild in Sicherheit zu bringen, wurde es über eine Tür gehängt. So konnte man es nicht mit irgendwelchen Gegenständen beschädigen.

Aber symbolisch passt die Hängung über der Tür super. Denn Manet hat viele Türen für die Kunst geöffnet. Er wollte keine mythologischen Szenen malen, sondern Menschen aus dem Alltag. Er selbst sagte: „Die Kunst soll die Schrift des Lebens sein.“ Und das Leben hat er seiner Malerei definitiv eingehaucht – eben auch dem Kinderbildnis aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.

Aber symbolisch passt die Hängung über der Tür super. Denn Manet hat viele Türen für die Kunst geöffnet. Er wollte keine mythologischen Szenen malen, sondern Menschen aus dem Alltag. Er selbst sagte: Ich weiß, es ist wahnsinnig traurig, aber das war's schon wieder mit diesem Kunstsnack. Vielen Dank fürs Zuhören. Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit dieser Folge. Lasst gern ein Abo da und habt einen schönen Tag. Ciao.

Aber symbolisch passt die Hängung über der Tür super. Denn Manet hat viele Türen für die Kunst geöffnet. Er wollte keine mythologischen Szenen malen, sondern Menschen aus dem Alltag. Er selbst sagte: Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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