Die Porträts und der Privatdetektiv: Viermal Hilde von Karl Hubbuch | #21

Shownotes

In diesem Kunstsnack widmet sich Jakob Schwerdtfeger einem 4-in-1 Porträt von Karl Hubbuch. Das Werk "Viermal Hilde" zeigt dieselbe Frau in vier verschiedenen Posen und Outfits. Warum der Künstler seine Frau so darstellte, was die Frauenbewegung damit zu tun hat und was man unter der Kunstströmung "Neue Sachlichkeit" versteht, erfahrt Ihr in dieser Folge. Außerdem geht es um einen Privatdetektiv, Fotografie, Kohlrouladen und einen Upperclass-Austern-Tag.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Karl-Hubbuch/Viermal-Hilde/1269280C464810418D286BA397B8862C/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze, Thomas Frank
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
"Viermal Hilde" von Karl Hubbuch im Cover-Bild: © Karl Hubbuch Stiftung / Städtische Galerie Karlsruhe 2023
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Die Porträts und der Privatdetektiv – Viermal Hilde von Karl Hubbuch“

In dieser Folge geht es nicht nur um vier sehr außergewöhnliche Porträts, sondern auch um einen Privatdetektiv, der den Künstler und seine Frau beschattet hat. So nah sind sich große Kunst und die Drei Fragezeichen nie gekommen. Das heutige Thema ist die Zeichnung mit dem Titel „Viermal Hilde“ von Karl Hubbuch aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Ich vermute mal, dass ihr den Künstler nicht kennt, aber das ändern wir jetzt. Und glaubt mir, es lohnt sich. Viel Spaß mit dieser Folge!

Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Bevor ich euch das Kunstwerk ausführlich beschreibe, schaut es euch gerne kurz selbst an: In den Shownotes ist ein Link zur Abbildung. Also, womit haben wir es zu tun? Es handelt sich um eine Zeichnung von vier Frauen aus dem Jahr 1929. Wenn man genau hinschaut, sieht man: Es ist viermal die gleiche Frau. Ok, der Titel gibt auch schon einen dezenten Hinweis, denn der lautet „Viermal Hilde“. Man erkennt es auch an der gebogenen Nase der Frau, an den sehr klar konturierten Lippen und der immer gleichen Kurzhaarfrisur. Man bekommt hier also ein 4 in 1 Porträt, ein bisschen wie bei 4 in 1 Shampoo.

Bevor ich euch das Kunstwerk ausführlich beschreibe, schaut es euch gerne kurz selbst an: Ok, dann gehen wir mal näher auf die vier Darstellungen dieser Frau ein. Wir sehen sie in unterschiedlichen Posen und Outfits. Das Ganze hat was von Fasching oder Rollenspiel. Ganz links sitzt die Frau auf einem Designerstuhl mit kurzem Rock und gemusterter Bluse. Ein Look irgendwo zwischen Businessfrau und Maklerin. Sie könnte den Klamotten nach aber auch gerade eine schlaue Buchrezension für die FAZ schreiben. Alles sehr intellektuell.

Bevor ich euch das Kunstwerk ausführlich beschreibe, schaut es euch gerne kurz selbst an: Die zweite Darstellung zeigt die Frau in einem eleganten Mantel und mit Topfhut – mit dem Outfit könnte sie auch heute noch easy bei einer Ausstellungseröffnung auftauchen. Die klassische Mode für einen regnerischen Upperclass-Austern-Tag in Hamburg. Insgesamt wirkt die Pose aber irgendwie unsicher. Die Frau lässt ihre Hände wie ein Erdmännchen herunterhängen, als wüsste sie nicht, wohin mit ihnen.

Das dritte Porträt ist recht sommerlich: Die Frau trägt eine Bluse mit floralem Muster und dazu kurze Hosen. Sie steht selbstbewusst und breitbeinig da und raucht lässig. Vom Look her könnte sie auf einem wichtigen Empfang stehen oder aber auch Türsteherin sein von einem exklusiven Club – hier ist irgendwie alles möglich. Auf jeden Fall ist ihr Auftreten ziemlich bossy.

Die vierte Darstellung ganz rechts auf der Zeichnung ist eher häuslich. Die Frau lehnt an der Wand und trägt ein Negligé mit einer Blumenschürze drüber. Sie wirkt, als würde sie gleich das Kreuzworträtsel aus der TV-Movie lösen und dabei „Bares für Rares“ gucken. Ihr Style sagt: Kohlrouladen sind mein Lieblingsessen.

Die vierte Darstellung ganz rechts auf der Zeichnung ist eher häuslich. Die Frau lehnt an der Wand und trägt ein Negligé mit einer Blumenschürze drüber. Sie wirkt, als würde sie gleich das Kreuzworträtsel aus der TV-Movie lösen und dabei „Bares für Rares“ gucken. Ihr Style sagt: Ihr merkt, das sind vier sehr unterschiedliche Rollen, Posen und Outfits, die der Künstler Karl Hubbuch hier zeichnet. Alles auf diesem Blatt ist in schnellen, markanten Strichen festgehalten – mit Bleistift und Feder. Einige Stellen sind mit Aquarell farbig gefasst. Alles in allem ist es eine sehr dynamische und ausdrucksstarke Skizze.

So, aber wer ist hier denn jetzt dargestellt? Es handelt sich um Hilde Hubbuch, die Frau von Karl Hubbuch, dem Künstler. Also, Hilde und Karl – merkt euch die Namen, die kommen noch oft vor. Beide lernen sich Mitte der 1920er Jahre an der Kunsthochschule in Karlsruhe kennen. Karl ist dort Professor, Hilde ist Studentin. 13 Jahre Altersunterschied liegen zwischen beiden. Hilde verkörpert die moderne Frau der 20er: Bubikopf, runde Hornbrille, sie raucht und umgibt sich mit modernen Möbeln. Sie ist am Puls der Zeit.

So, aber wer ist hier denn jetzt dargestellt? Es handelt sich um Hilde Hubbuch, die Frau von Karl Hubbuch, dem Künstler. Also, Hilde und Karl – merkt euch die Namen, die kommen noch oft vor. Beide lernen sich Mitte der 1920er Jahre an der Kunsthochschule in Karlsruhe kennen. Karl ist dort Professor, Hilde ist Studentin. 13 Jahre Altersunterschied liegen zwischen beiden. Hilde verkörpert die moderne Frau der 20er: Anfangs muss sich das frische Liebespaar aber erst mal gegen elterlichen Widerstand durchsetzen. Hildes Vater hat nämlich ein Problem mit der Beziehung zwischen Lehrer und Schülerin. Es geht gegen seine Vorstellungen von Etikette und Anstand. Die Sorge von Hildes Vater geht so weit, dass er allen Ernstes einen Detektiv auf seine Tochter ansetzt. Ein echter Sittenwächter-Sherlock. Lustigerweise heißt das Detektivunternehmen auch noch Argus – die Argusaugen von Hildes Vater waren also wirklich überall.

So, aber wer ist hier denn jetzt dargestellt? Es handelt sich um Hilde Hubbuch, die Frau von Karl Hubbuch, dem Künstler. Also, Hilde und Karl – merkt euch die Namen, die kommen noch oft vor. Beide lernen sich Mitte der 1920er Jahre an der Kunsthochschule in Karlsruhe kennen. Karl ist dort Professor, Hilde ist Studentin. 13 Jahre Altersunterschied liegen zwischen beiden. Hilde verkörpert die moderne Frau der 20er: Und tatsächlich ertappt der Detektiv das Liebespaar, also Karl und Hilde, in einem Hotel in Wiesbaden. Hildes Eltern machen Druck und so heiraten die beiden. Die Beziehung zwischen Karl Hubbuch und seinem Schwiegervater war also von Anfang an echt... mega vertrauensvoll.

Die Ehe hält nicht lange, aber vor allem zu Beginn befeuern sich Hilde und Karl Hubbuch künstlerisch enorm. Sie steht ihm viel Modell für seine Zeichnungen und Gemälde. Umgekehrt ist er Modell für ihre Fotos. Denn Hilde beginnt zu fotografieren, später wird sie eine bedeutende Porträtfotografin in den USA. Zusammen experimentieren die beiden viel mit der Kamera. Es gibt wunderbar absurde Fotos von ihnen: Auf einer Aufnahme hält Hilde einen Föhn wie eine Pistole und schwingt ein Nudelholz. Auf einem anderen Foto umarmt Karl eine Säule der Kunstakademie. Man merkt den beiden die Lust am Verwandlungsspiel an. Aber es geht über das Spiel hinaus. Karl Hubbuch nutzt Fotos für seine Arbeit, nämlich um Bewegungen zu studieren und auch in die Zeichnung aus der Kunsthalle Karlsruhe fließt seine fotografische Erfahrung ein. Denn mit den vier Posen, nebeneinander, tack, tack, tack, wirkt die Zeichnung wie eine Fotomontage. Als hätte man hier vier Mal einen Schnappschuss von Hilde gemacht – nur eben gezeichnet.

Das Kunstwerk „Viermal Hilde“ hat auch noch eine weitere Ebene. Hier werden verschiedene Frauenrollen der damaligen Zeit aufgegriffen, also der Weimarer Republik. Die dauerte von 1919 bis 1933 – nur zur Erinnerung die Zeichnung aus der Kunsthalle Karlsruhe ist 1929 entstanden. In den vier Darstellungen sehen wir auf der einen Seite selbstbewusste Frauen, die mit althergebrachten Geschlechterrollen brechen: Kurzhaarfrisur, kurze Hosen, selbstbewusste Haltungen. Auf der anderen Seite sehen wir mit dem häuslichen Look, der Blümchenschürze, ein traditionelles Rollenbild. All das existiert auf der Zeichnung nebeneinander, in all diese Rollen schlüpft Hilde. Das Mehrfachporträt wird zu einer Art Gesellschaftsbild.

Anfang des 20. Jahrhunderts war eine wichtige Zeit für die Frauenbewegung: Die Universitäten öffneten sich für weibliche Studentinnen. Seit 1918 durften Frauen wählen, immer mehr Frauen gingen nun einem eigenständigen Beruf nach, der nicht mehr nur aus dem Leben als Hausfrau bestand. Gleichberechtigung war zwar noch in weiter Ferne, aber es änderte sich was, die Emanzipation war auf dem Vormarsch. In der Weimarer Republik zeigten Frauen sich immer mehr in Hosen und mit kurzen Haaren – damals ein neuer Trend. Insgesamt strebten Frauen immer mehr nach Unabhängigkeit. Und Hilde war mittendrin.

Anfang des 20. Jahrhunderts war eine wichtige Zeit für die Frauenbewegung: Hubbuch reflektiert diese Entwicklung in seiner Kunst. Er gehörte der Kunstströmung Neue Sachlichkeit an, die viele gesellschaftskritische Themen behandelte. Den Kunstschaffenden der Neuen Sachlichkeit ging es um ungeschönte, drastische Darstellungen der harten Realität. Sie widmeten sich den Schattenseiten des Ersten Weltkrieges und der Gesellschaft generell. Hubbuch malte oft das großstädtische Leben zwischen extremer Armut und protzigem Reichtum. Gesichter verkommen bei ihm zu Fratzen, das Elend und die Dekadenz springen einen geradezu aus den Bildern an.

Aber zurück zu der Zeichnung aus der Kunsthalle Karlsruhe: Die vier Varianten von Hilde waren vermutlich nicht von Anfang an so geplant. Rechts wurde nämlich ein zweites Blatt an das erste geklebt – und damit zwei Blätter aneinander. Vielleicht hatte sich Karl Hubbuch einfach komplett im Platz verschätzt – so wie man bei Geburtstagskarten ja auch immer mit richtig großer Schrift anfängt und nach hinten raus immer kleiner werden muss, weil die Karte mal wieder nicht genug Platz geboten hat.

Aber zurück zu der Zeichnung aus der Kunsthalle Karlsruhe: Hubbuch diente die Zeichnung als Vorstudie für ein Gemälde. Damit machte er allerdings den umgekehrten Move. Er vergrößerte nicht die Malfläche, klebte nichts dazu, sondern teilte das fertige Gemälde später in der Mitte. Die linke Hälfte ist in der Pinakothek der Moderne in München und die rechte Hälfte ist in Madrid in der Sammlung Thyssen-Bornemisza. Warum hat er das Gemälde zerschnitten hat? Das ist nicht ganz klar. Ein Bild in der Mitte durch schnippeln... hat irgendwie was vom Heiligen Sankt Martin und seinem Mantel – nur halt mit Leinwand.

Der Künstler selbst hat sich folgendermaßen zu dem Zerschneiden und zu seinem Gemälde geäußert: „Zu Beginn der Nazizeit schnitt ich es vom Keilrahmen und habe es in aufgerolltem Zustand … an verschiedenen Orten versteckt gehalten. Da es an einer Stelle unter Feuchtigkeit sehr gelitten hatte, und da ich auch in meinem Atelier nicht sehr viel Platz hatte, schnitt ich das Bild in zwei Teile.“ Komisch ist jedoch, dass keine Wasserschäden auf den beiden Bildhälften zu finden sind. Weird ist auch, dass Hubbuch die Zeichnung aus Karlsruhe zwei Mal signiert hat – jeweils auf der linken und rechten Hälfte. Als hätte er dieses Durschneiden irgendwie geplant. Rätselhaft – dem sollte mal ein Detektiv nachgehen.

Der Künstler selbst hat sich folgendermaßen zu dem Zerschneiden und zu seinem Gemälde geäußert: Naja, umso besser, dass die Vorstudie „Viermal Hilde“ heute noch in Gänze existiert und uns einen Eindruck davon geben kann, wie alle vier Frauendarstellungen nebeneinander wirken. Und es könnte nicht passender aufgehoben als in der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe, denn Karl Hubbuch wurde 1891 in Karlsruhe geboren und starb auch dort 1979.

Der Künstler selbst hat sich folgendermaßen zu dem Zerschneiden und zu seinem Gemälde geäußert: So, das war's mal wieder mit dieser Folge. Wenn es euch gefallen hat, erzählt es allen, die ihr kennt und hört euch gern durch alle Episoden dieses Podcasts. Danke fürs Zuhören. Bis in zwei Wochen, wenn der nächste Kunstsnack erscheint. Macht's gut. Ciao.

Der Künstler selbst hat sich folgendermaßen zu dem Zerschneiden und zu seinem Gemälde geäußert: Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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