Von Napoleon bis Jay-Z: Selbstbildnis von Marie Guilhelmine Benoist | #19

Shownotes

Dieser Kunstsnack handelt von Marie Guilhelmine Benoist und ihrem Selbstbildnis, das sie mit gerade einmal 17 Jahren malte. Kunsthistoriker und Comedian Jakob Schwerdtfeger verrät, auf was sie mit ihrem Selbstporträt anspielt und wie ihre aussichtsreiche Karriere ein abruptes Ende nahm. Erfahrt außerdem, was Marie Guilhelmine Benoist mit Napoleon, Jay-Z und Beyoncé zu tun hat.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Marie-Guilhelmine-Benoist/Selbstbildnis/16570C711689471788F89DED6A20014C/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Von Napoleon bis Jay-Z – Selbstbildnis von Marie-Guillemine Benoist“

Es ist eines der epischsten Hip Hop Videos überhaupt: Die Superstars Beyoncé und Jay-Z performen im leeren Louvre ihren Song „Apeshit“. Wenn ihr das Video nicht kennt, guckts euch definitiv an. Das ist echt Next Level Angeberei! In dem Musikvideo werden die großen Gemälde der Kunstgeschichte abgefeiert – inklusive Mona Lisa natürlich. Ständig werden weltberühmte Meisterwerke gefilmt. Und dann taucht am Ende des Musikvideos plötzlich das Porträt einer schwarzen Frau auf, ein sehr ungewöhnliches Motiv zur Entstehungszeit 1800 und ein wichtiges Statement. Gemalt hat es die Malerin Marie-Guillemine Benoist. Benoist, ich nehme an diesen Namen habt ihr noch nie gehört. Aber merkt ihn euch: Benoist. Nicht nur Beyoncé und Jay-Z wissen, dass das eine großartige Künstlerin war. Und ihr müsst gar nicht bis nach Paris reisen, um Kunst von ihr zu sehen. Denn die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe hat ein hervorragendes Werk von Benoist in ihrer Sammlung und darum geht’s in dieser Folge. Viel Spaß!

Es ist eines der epischsten Hip Hop Videos überhaupt: Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Es ist eines der epischsten Hip Hop Videos überhaupt: Da es in dieser Folge um ein konkretes Gemälde geht, schaut euch das gerne kurz an. In den Shownotes findet ihr einen Link zur Abbildung. Wenn ihr eh grad am Handy seid, folgt doch auch gleich diesem Podcast. Das hilft uns sehr. So, aber natürlich beschreibe ich euch das Bild jetzt, damit ihr das alle vor Augen habt.

Es ist eines der epischsten Hip Hop Videos überhaupt: Also, womit haben wir es zu tun? Das Gemälde von Benoist heißt „Selbstbildnis“ und stammt aus dem Jahr 1786. Was ist auf diesem Selbstporträt dargestellt? Wir sehen die Künstlerin bei der Arbeit, im Sitzen malt sie ein Gemälde. Also ein Bild im Bild, denn wir sehen auf dem Gemälde, wie die Künstlerin ein Gemälde malt. Benoist ist in weißen Stoff gehüllt, der aussieht wie die Mischung aus römischer Toga und Bettlaken. Würde sie das Gewand über den Kopf ziehen, wäre sie ein astreines Gespenst. Die Malerin sieht in diesem wallenden, weißen Stoff irgendwie ein bisschen aus, als käme sie direkt aus der Antike. Mit der einen Hand führt sie einen Pinsel zu einer Leinwand, also das Bild im Bild und das steht auf der Staffelei neben ihr. Mit der anderen Hand hält sie eine Farbpalette und sieben weitere Pinsel. Die Hand ist wirklich... voll.

Es ist eines der epischsten Hip Hop Videos überhaupt: Mein Lieblingsdetail auf diesem Selbstbildnis ist eine lange Perlenkette. Die trägt Benoist aus unerfindlichen Gründen am Unterarm – ein äußerst unpraktisches Statussymbol. Die Künstlerin blickt selbstbewusst in Richtung der Betrachter*innen. Ihr langes Haar flattert hinter ihr herum, als säße sie vor einem Ventilator.

Das Selbstbildnis ist verdammt gut gemalt. Alles ist gestochen scharf und vor allem der Stoff ist wahnsinnig plastisch. Handwerklich ist das hier wirklich großes Tennis. Und jetzt müsst ihr euch klarmachen: Benoist war gerade mal 17 Jahre alt, als sie dieses Bild malt! Also, wenn ich so ein Meisterwerk mit 17 im Kunstunterricht abgeliefert hätte... Da wäre mir aber safe unterstellt worden, dass meine Eltern da mitgeholfen haben. Benoist beweist mit diesem Selbstporträt eine Qualität, an die sie mit späteren Werken kaum noch herankommen wird.

Das Selbstbildnis ist verdammt gut gemalt. Alles ist gestochen scharf und vor allem der Stoff ist wahnsinnig plastisch. Handwerklich ist das hier wirklich großes Tennis. Und jetzt müsst ihr euch klarmachen: Aber wer war diese Malerin überhaupt? Benoist wird 1768 in Paris geboren. Die Eltern erkennen ihr künstlerisches Talent sehr früh, deshalb beginnt sie schon mit 13 Jahren eine Malerei-Ausbildung. Benoist wird zunächst Schülerin bei der bedeutenden Malerin Elisabeth Vigée-LeBrun. Später wechselt sie dann zu dem Maler Jacques-Louis David. Ihre Lehrerin und ihr Lehrer waren beide hoch angesehen – von Vigée-LeBrun zu David zu wechseln, das ist in der Kunst, als würde man zwischen zwei Championsleague-Vereinen wechseln.

Das Selbstbildnis ist verdammt gut gemalt. Alles ist gestochen scharf und vor allem der Stoff ist wahnsinnig plastisch. Handwerklich ist das hier wirklich großes Tennis. Und jetzt müsst ihr euch klarmachen: Das Selbstbildnis aus der Kunsthalle Karlsruhe entstand kurz nach diesem Wechsel. Die Einflüsse von beiden Lehrenden sind in dem Werk nachvollziehbar. Benoist bezieht sich auf ihre Lehrerin Vigée-LeBrun, indem sie sich als Verkörperung der Malerei malt – mit Palette, Pinsel und so weiter. Außerdem ist auch ihre selbstbewusste Pose eine Hommage, denn ihre Lehrerin hat sich selbst ganz ähnlich gemalt. Benoist bezieht sich aber auch auf ihren neuen Lehrer David. Das erwähnte Bild im Bild zeigt nämlich den antiken Feldherren Belisarius und das war ein Motiv, das David mehrfach gemalt hat. Das Selbstbildnis ist also nicht nur technisch hervorragend, sondern steckt auch noch voller Anspielungen.

Übrigens wurde eines der Hauptwerke von Benoist lange ihrem Lehrer David zugeschrieben. Das berühmte Metropolitan Museum hatte das Bild angekauft, weil sie dachten es wäre von David. 1996 stellte sich allerdings heraus: Nope, das Bild ist von Benoist. So was passiert übrigens öfter, dass technisch gute Bilder erst mal fälschlicherweise Männern zugeschrieben werden. Nach dem Motto: Das ist super gemalt, kann nur von 'nem Mann sein. Ist natürlich Quatsch! Deshalb ist das Überprüfen von Zuschreibungen wirklich wichtig.

Aber zurück zu Benoists Biografie: 1791 wurde der Pariser Salon für alle geöffnet. Jetzt fragt ihr euch zurecht: Was war der Salon? Das war eine regelmäßige Ausstellung in Paris. Hier wurde Kunst gezeigt, die dem französischen Hof zusagte. Also im Prinzip Kunst, die dem königlichen Geschmack entsprach. Die Wände waren in der Regel rappelvoll mit Bildern. Da wurde jeder Zentimeter mit Kunst voll geklatscht. Alle wollten dabei sein. Im Salon auszustellen, war eine Ehre.

Aber zurück zu Benoists Biografie: Bis 1791 durften im Salon allerdings nur Mitglieder der königlichen Akademien ausstellen und da Frauen gar nicht an die Akademie durften, fanden sie im Salon nicht statt. Die Französische Revolution ändert das. 1791 ist Benoist dann die erste Frau, die im Salon ein Historiengemälde präsentiert. Historienbilder zeigen mythische, religiöse oder historische Szenen. Aber vor allem sind Historienbilder Riesen-Schinken. So ein fettes Format war sehr, sehr ungewöhnlich für eine Frau. Normalerweise duldete man von Frauen nur kleine Stillleben und Porträts. Stattdessen kam Benoist quasi mit Bildern so groß wie Werbetafeln um die Ecke. Auch hier zeigt sich wieder ihr Selbstbewusstsein als Künstlerin.

Aber zurück zu Benoists Biografie: Kurz danach ist mit der Historienmalerei aber schon wieder Schluss. Benoists Mann muss Paris verlassen und sie muss alleine für sich und ihre Kinder sorgen. Deshalb lässt sie die Historienmalerei wieder sein, sondern malt Porträts, denn damit ließ sich damals Geld verdienen. Mit den Porträts ist Benoist ziemlich erfolgreich, sie erhält sogar den Auftrag Napoleon zu malen. 1814 kommt dann ein heftiger Dämpfer. Benoists Mann bekommt einen Job im Innenministerium und verlangt von ihr, dass sie ihre Werke nicht mehr öffentlich zeigt. Benoist leistet dem Folge. Früher wurde sie viel gelobt und gefeiert, jetzt kann sie nur noch für sich malen.

Das muss man sich mal klarmachen! Da verbietet ein Mann seiner erfolgreichen Frau im Prinzip einfach den Job. Nur weil er ein öffentliches Amt begleitet. Wenn ihr jetzt denkt: Wow, wie rückständig, das wäre ja heute undenkbar. Macht euch klar: Bis 1977 brauchte eine Ehefrau in Deutschland die Erlaubnis ihres Mannes, um einer Arbeit nachzugehen. 1977. So weit das gar nicht von uns weg.

Das muss man sich mal klarmachen! Da verbietet ein Mann seiner erfolgreichen Frau im Prinzip einfach den Job. Nur weil er ein öffentliches Amt begleitet. Wenn ihr jetzt denkt: Benoist malt zwar weiter, aber die Qualität ihrer Bilder nimmt ab. Ihr fehlt der Austausch, der Antrieb, die Mission. Dass sich ihr Selbstbildnis heute in der Kunsthalle Karlsruhe befindet, ist ein großes Glück! Denn die meisten Werke von Benoist sind in Privatbesitz, nur ganz wenige ihrer Gemälde hängen überhaupt in Museen. Also, vielleicht drehen Beyoncé und Jay-Z ihr nächstes Video ja vor dem Gemälde von Benoist in der Kunsthalle Karlsruhe. Wer weiß...

Das muss man sich mal klarmachen! Da verbietet ein Mann seiner erfolgreichen Frau im Prinzip einfach den Job. Nur weil er ein öffentliches Amt begleitet. Wenn ihr jetzt denkt: Naja, wir sind auf jeden Fall am Ende dieser Folge angelangt. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Empfehlt den Podcast gerne weiter. In zwei Woche kommt die nächste Folge zum nächsten Kunstwerk. Bis dahin, macht's gut.

Das muss man sich mal klarmachen! Da verbietet ein Mann seiner erfolgreichen Frau im Prinzip einfach den Job. Nur weil er ein öffentliches Amt begleitet. Wenn ihr jetzt denkt: Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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