Vielschichtige Fahrstuhlmusik in Bildform: Leute am blauen See von August Macke | #18

Shownotes

Diese Bilder machen gute Laune: In diesem Kunstsnack geht es um das Gemälde „Leute am blauen See“ von August Macke und warum der Künstler damit erstmal auf Ablehnung stieß. Erfahrt, was es über die damalige Zeit aussagt, was man unter Expressionismus versteht und was Katzenkalender oder Schaufensterpuppen damit zu tun haben.

Das Werk in der Onlinesammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/August-Macke/Leute-am-blauen-See/AAA653B14FA93035E973C0A43B4D200F/

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Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Text: Jakob Schwerdtfeger
Idee und Redaktion: Daniela Sistermanns, Sarah Ball, Tabea Schwarze
Beratung: Thomas Frank
Ton und Schnitt: Sarah Ball
Sounddesign und Musik: Milan Fey, Auf die Ohren GmbH
Sprecher Intro und Outro: Martin Petermann, Auf die Ohren GmbH
Foto: Pierre Jarawan
Gestaltung: Bureau Mitte Designagentur, Frankfurt
Förderer: Dieser Podcast wird finanziell unterstützt von der Werner-Stober-Stiftung sowie den Freunden der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe e.V.

Transkript anzeigen

Kunstsnack. Ein Podcast der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe„Vielschichtige Fahrstuhlmusik in Bildform - Leute am blauen See von August Macke“

Er ist einer der beliebtesten Kalender-Künstler überhaupt: August Macke. Warum sind seine Bilder so beliebt? Also, die sind wirklich fast so beliebt wie Katzenkalender. Ganz simpel, weil Mackes Bilder einfach gute Laune machen. Sie sind bunt, flashy und zeigen das Good Life. August Mackes Kunst ist Fahrstuhlmusik in Bildform. Allerdings sind seine Werke nicht cheesy oder flach, sondern es sind einfach erquickende Gemälde. Und ungefähr so alt wie das Wort "erquickend" ist auch das Bild von August Macke, um das es heute geht. Das Bild stammt nämlich aus dem Jahr 1913 und es befindet sich in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Glaubt mir, diese Folge Kunstsnack ist beschwingend und gleichzeitig tiefschürfend. Also, viel Spaß!

Er ist einer der beliebtesten Kalender-Künstler überhaupt: Der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Von der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe mit dem Comedian und Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger.

Bevor wir loslegen: Ich beschreibe euch das Bild dieser Folge gleich in Ruhe, aber am Besten schaut ihr euch das einfach mal selbst an. In den Shownotes findet ihr einen Link zur Abbildung. Und nur ganz kurz nur zu zeitlichen Einordnung: Der Maler August Macke lebte von 1887 bis 1914, also so um die Jahrhundertwende. Aber alles weitere zu ihm später.

Bevor wir loslegen: Okay, also was sehen wir auf dem Bild von August Macke? Eine Frau, ein Mann und ein Mädchen – vermutlich eine kleine Familie. Dazu sind auf dem Bild zwei Bäume, alles ist sehr bunt. Ich merke grad, das klingt, als würde ich euch ein Kinderbild beschreiben – Vater, Mutter, Kind, Baum, Ende. Aber Mackes Gemälde ist deutlich komplexer und sieht so gar nicht nach Kindergekritzel aus. Es sieht eher ein bisschen aus, als würde man durch ein Kaleidoskop gucken, denn alles auf dem Bild ist in einzelne Farbflächen aufgeteilt. Im Hintergrund ist auffällig viel Blau, die Familie befindet sich also an einem See. Ehrlich gesagt, legt der Titel das auch nahe, denn der lautet "Leute am blauen See". Die einzelnen Farbflächen übrigens sind typisch für Mackes Malstil. Er setzte seine Bilder oft aus diesen Farbflächen zusammen. Es ist ein bisschen wie eine gemalte Collage. Alles wirkt erstmal realistisch, aber die Figuren, die Bäume, das Wasser – all das ist fiktiv oder aus der Erinnerung gemalt. So kreiert Macke Bildwelten aus seiner Fantasie heraus.

Mackes Gemälde ist so bunt, es könnte locker eine Werbung für Farbwaschmittel sein, weil alle Farben so strahlend leuchten. Der Künstler selbst sagte passenderweise mal (ich zitiere): Mehr Klingt ein bisschen, als hätte Macke einfach keine Sonnenbrille gehabt. Aber was für eine Formulierung, "Das Licht in die Augen fließen lassen": Genau das tut Macke mit diesem Bild, er feiert die harmonisch wirkenden Farben und das Licht richtig ab. Das ist das Markenzeichen seiner Kunst. Gleichzeitig ist diese bunte Malweise auch typisch für unterschiedliche moderne Bewegungen der Kunst in Frankreich und Deutschland und eben auch typisch unter anderem für den Expressionismus

Der Expressionismus ist eine Kunstströmung, die Anfang des 20. Jahrhunderts aufkam. Die Künstler*innen wollten das Wesentliche ihrer Motive erfassen und unter anderem mit ihren Bildern Gefühle und Stimmungen auszudrücken und zwar möglichst intensiv. Und dann dachte man sich scheinbar: Wie nennen wir diese expressive Kunst? Genau, Expressionismus. Mega kreativ. Typisch für expressionistische Bilder ist auch, dass nicht immer alles so gemalt ist, wie es im echten Leben aussieht. Auf manchen Gemälden sind Menschen mit grüner Haut und roten Augen, auf anderen sind blaue Pferde und gelbe Kühe. Im Expressionismus geht es vor allem um den Ausdruck und nicht unbedingt immer um Korrektheit. Das ist ein bisschen wie mit Emojis. Wenn wir bei WhatsApp einen wütenden Emoji verschicken, dann drückt der hochrote Kopf die Wut gut aus. Auch wenn wir wissen, dass man nicht komplett überall im Gesicht tiefrot vor Wut wird. Egal, die Idee kommt gut rüber und so ist das beim Expressionismus.

Der Expressionismus ist eine Kunstströmung, die Anfang des 20. Jahrhunderts aufkam. Die Künstler*innen wollten das Wesentliche ihrer Motive erfassen und unter anderem mit ihren Bildern Gefühle und Stimmungen auszudrücken und zwar möglichst intensiv. Und dann dachte man sich scheinbar: August Macke ist gehörte dieser Kunstrichtung an und wird heute dafür verehrt – zum Beispiel mit hunderten Kalendern. Aber das war nicht immer so! Mit seinen Bildern und der ganzen Farbfreudigkeit stieß Macke erst mal auf Unverständnis. Künstlerkolleg*innen mochten seine Bilder, aber die breite Masse... die fanden Mackes Bilder zu modern und konnten damit nicht viel anfangen. Die wollten klassische Bilder, die die Wirklichkeit schön getreu wiedergeben. So war der Geschmack der meisten Menschen auch noch 1913, als das Bild aus der Kunsthalle Karlsruhe entstand.

Der Expressionismus ist eine Kunstströmung, die Anfang des 20. Jahrhunderts aufkam. Die Künstler*innen wollten das Wesentliche ihrer Motive erfassen und unter anderem mit ihren Bildern Gefühle und Stimmungen auszudrücken und zwar möglichst intensiv. Und dann dachte man sich scheinbar: Zu der Zeit war auch die Mode noch... etwas anders. Das sieht man sehr schön an den Hüten auf Mackes Bild. Der Mann trägt eine Melone, die Frau trägt einen Hut mit einer großen, roten Feder. Und das kleine Mädchen hat scheinbar einfach eine gelbe Frisbee auf dem Kopf. Ihre Kopfbedeckung sieht wirklich aus wie ein runder Teller und war vermutlich ein Strohhut. Die waren nämlich in der Zeit sehr beliebt und generell tragen die Personen typische Kleidungsstücke einer bürgerlichen Familie. Wer wiederum die Figuren auf dem Bild sind, ist unklar. Die Personen haben keine Gesichter, sie sehen eher aus wie Schaufensterpuppen.

Dazu eine kurze Anekdote: Es gibt ein Bild der russischen Künstlerin Anna Leporskaja auf dem die Gesichter ganz ähnlich gemalt sind, nämlich einfach als leere Flächen. 2022 hatte ein Museumswärter dann seinen ersten Tag in dem Museum in Jektarinburg und sollte auf das Bild aufpassen. Dem Wärter fehlten darauf aber die Augen, also hat er die einfach schnell selber hingekritzelt. An seinem ersten Arbeitstag! Punkt, Punkt, Komma, Strich – bitte, bitte tut das nicht. Insofern können wir froh sein, dass wir Mackes Bild ohne Kritzeleien im Originalzustand vor uns haben.

So, zurück zum Werk: Es kann durchaus sein, dass Macke hier eine Szene aus seinem Leben gemalt hat. 1913 zog er nämlich für mehrere Monate an den Thuner See in der Schweiz. Allerdings ist auf dem Bild ist ein Mädchen dargestellt, Macke hatte aber zwei Söhne, es stellt also wohl nicht seine Familie dar. Am Ende ist das auch nicht so wichtig, denn Macke wollte einfach die Stimmung eines befreiten Spaziergangs einfangen. Für den Künstler bedeutete das Zusammensein mit der Familie großes Glück. Höchstwahrscheinlich zeigt das Gemälde wie erwähnt den Thuner See, wo die Mackes direkt am Seeufer wohnten. Das Bild zeigt eine Hinwendung zur Natur – hier ist nichts von Industrialisierung, Fabriken und so weiter zu sehen. Hier ist alles ruhig und natürlich. Macke malte sehr gerne Menschen in entspannten Situationen, zum Beispiel beim Schaufensterbummel. Und mir ist aufgefallen: Auf Mackes Gemälden haben die Leute immer richtig Zeit. Das macht seine Kunst vielleicht so reizvoll, sie stellen den Müßiggang dar, den wir uns zu wenig gönnen.

So, zurück zum Werk: Das Bild "Leute am blauen See" aus der Kunsthalle Karlsruhe zeigt eine tiefe Idylle und mit all den schönen Farben ist es eine Art Paradies. Sicher kommt hier die Urlaubsstimmung bei Macke durch, denn 1913 befand er sich ja im Erholungsurlaub in der Schweiz am Thuner See. Diese paradiesischen Szenen tauchen immer wieder im Schaffen von August Macke auf. Darin sieht man seine positive Lebenseinstellung, seine Sehnsüchte und Hoffnungen. Gleichzeitig ist uns aus heutiger Sicht klar, dieser Ideal-Zustand ist trügerisch, denn ein Jahr später,1914, bricht der Erste Weltkrieg aus.

So, zurück zum Werk: In gewisser Weise sehen wir auf seinem Gemälde also einen der letzten Momente, als die Welt für Macke noch in Ordnung war. Denn direkt mit dem Beginn des Ersten Weltkries wird er einberufen. Er stirbt sieben Wochen später mit gerade mal 27 Jahren auf dem Schlachtfeld in der Champagne. Geblieben ist uns eines seiner Meisterwerke. Und ja, es ist Fahrstuhlmusik in Bildform, aber es ist vielschichtiger als ein reines Gute-Laune-Bild. Es zeigt den Wunsch nach Ruhe, in einer unruhigen Zeit. Und damit passt das Kunstwerk, ehrlich gesagt, ziemlich gut in unsere heutige Zeit.

Ich habe mich für diese Podcastfolge ja eigehender mit Macke beschäftigt und ich finde es einfach großartig zu sehen, wie sehr er in der Kunst aufgegangen ist. Daher möchte ich diese Folge mit einem eindrücklichen Zitat von Macke beenden, was Vieles gut auf den Punkt bringt und den Expressionismus auch noch mal toll zusammenfasst (ich zitiere): „Ich habe alles, was ich brauche und bin vollkommen glücklich, wenn ich malen kann, was ich fühle.“ Bäm, Micdrop. Das kann man als Ende wunderbar so stehen lassen.

Ich habe mich für diese Podcastfolge ja eigehender mit Macke beschäftigt und ich finde es einfach großartig zu sehen, wie sehr er in der Kunst aufgegangen ist. Daher möchte ich diese Folge mit einem eindrücklichen Zitat von Macke beenden, was Vieles gut auf den Punkt bringt und den Expressionismus auch noch mal toll zusammenfasst (ich zitiere): Wir sind in zwei Wochen wieder da mit einer neuen Folge von Kunstsnack. Bis dahin hört gerne die anderen Folgen, empfehlt diesen Podcast weiter und folgt der Kunsthalle Karlsruhe bei Instagram. Wie immer, Danke fürs Zuhören. Machts gut, Ciao.

Ich habe mich für diese Podcastfolge ja eigehender mit Macke beschäftigt und ich finde es einfach großartig zu sehen, wie sehr er in der Kunst aufgegangen ist. Daher möchte ich diese Folge mit einem eindrücklichen Zitat von Macke beenden, was Vieles gut auf den Punkt bringt und den Expressionismus auch noch mal toll zusammenfasst (ich zitiere): Das war der Kunstsnack – Kurze Facts leicht bekömmlich. Mit Jakob Schwerdtfeger. Eine Produktion der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Abonniert unseren Podcast und folgt uns bei Instagram. Habt Ihr Themenwünsche, schreibt uns via Directmessage oder per Mail an digital@kunsthalle-karlsruhe.de.

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